…eindeutig und ohne Frage mein Laptop.
Mein im August vergangenen Jahres erst ganz neu ersteigerter Laptop. Den liebe ich mittlerweile so, dass ich ihn manchmal verzückt anschaue. Mich in die ungleichmäßig verteilten, sanften Rillen in der silbernen Oberfläche versenke – matt gebürstet würde man wohl bei Schmuck zu diesem Design sagen. Oft gebe ich dem Impuls nach, mit meinen Fingerspitzen ganz sacht über diese Fläche zu streichen. Dann wieder hebe ich ihn an, staune über seine Leichtigkeit und über die Tatsache, dass ich ihn überall in und außerhalb der Wohnung, also momentan meine ich auf die Balkone, mitnehmen kann, ohne mir Gedanken um den Strom machen zu müssen. Der Akku hält und hält.
Ich würde diesen Laptop auch außerhalb der Coronazeit lieben, meinen kleinen, komfortablen Arbeits-, Genuss- und überhaupt so Einiges- Luxus. Sollte ich lieber sagen “Ich werde diesen Laptop auch außerhalb der Coronazeit lieben”? Es ist müßig, mir darüber Gedanken zu machen, ob und wann das sein könnte. Bleibe ich also beim Anhimmeln meines ersten von mir selbst erfolgreich ersteigerten Gegenstandes von Wert. Und was für einen Wert der hat!
Damals, als meine Mama noch am Leben war, es muss wohl Mitte – Ende März vergangenen Jahres gewesen sein, weiß ich noch, wie wir versucht haben, unser erstes Zoom-Familientreffen zu stemmen. Damals war das noch mit meiner alten Möhre, die Geräusche machte wie ein Haarfön auf der mittelleisen Stufe und bei der meine Lieben mich nur dank einer externen Kamera überhaupt sehen konnten. Mama war es, die mich fragte, ob ich sie nicht auch ohne diese Kopfhörer hören könnte. Ich sah wohl sehr befremdlich aus mit den Riesendingern auf meinen Ohren. Lachend stellten wir fest, dass ich sie ohne hören konnte und sie mich. Das hatte ich meiner alten Möhre einfach nicht zugetraut. Es war das einzige Zoom-Treffen, an dem meine Mama noch teilnahm.
Mittlerweile habe ich kaum mehr zählbare Meetings und Webinare hinter mir. Mit denen begann ich aber erst mit dem neuen Laptop. Der hat natürlich eine eingebaute Kamera und ein Mikrofon und alles funktioniert phantastisch. Warum ist der kleine Kerl mir nun so wichtig geworden? In gewisser Weise ist er mein Fenster zu Welt. Besser gesagt, zu verschiedenen Welten, tollen, überraschenden, berührenden und bewegenden wie auch bewegten Welten. Erstaunlich, dass ich das so empfinde, denn Video-Telefonate als solche mag ich nicht, bis heute nicht. Aber alles mögliche Andere, was ich in den vergangenen Monaten über Videokonferenz erlebt habe.
Das Angebot letzten Sommer von unseren Campleitern, uns doch anstatt in den Tessiner Bergen auf Zoom zu treffen und vorm Bildschirm, jeder in seinem Zuhause, miteinander zu meditieren, habe ich noch ausgeschlagen. Unvorstellbar! Wie soll denn da Stimmung aufkommen? Ich wollte Waldluft, den Anblick der Berge und des Gletschers, die dunkelgrünen Tannenspitzen und ich wollte Menschen um mich, sie rascheln hören, ihr Räuspern und Hüsteln und Atmen. So nah sind wir uns sonst immer gekommen, haben uns in den Pausen tief in die Augen geblickt und tiefe Gespräche geführt, Hände haltend, zum Schluss eine lange Umarmung. Das wollte ich nicht am Bildschirm. Ging ja auch gar nicht.
Im Herbst begann ich, an verschiedenen Webinaren und Onlineseminaren teilzunehmen, lauter Sachen, die gratis angeboten wurden, auch darüber, wie man mit Zoom zurechtkommt. Mit jedem neuen Thema und der Begegnung mit immer neuen Menschen begann ich, immer größeren Gefallen an der Sache zu finden. Ich machte mir Notizen und merkte, dass mich manche Inhalte und auch manche Kommentare der anderen Teilnehmenden noch lang beschäftigten. Irgendwann traute ich mich, selbst meine ersten Fragen und Kommentare in den Chat zu stellen. Oft wurden sie berücksichtigt.
Als sich abzeichnete, dass Weihnachten auf weite Entfernung getrennt stattfinden würde, zumindest haben sich alle aus meiner Familie dafür entschieden, stand ein Zoom-Event ganz anderer Art an – ohne feste Agenda, ohne inhaltlichen Input. Und ja, ich kann sagen, meine Schwester mit ihren beiden Kindern und ihrem Partner, mein Papa und sogar meine Lieblings-Cousine mit ihren Eltern sowie mein Mann und ich – wir hatten eine zauberhafte Bescherung zusammen. Ich konnte, diesmal am Großbildschirm meines Mannes, unsere Kamera zeigte uns am Esstisch mit unserem geschmückten Kiefernzweig im Hintergrund und einem Photo von Mama im Vordergrund, mitverfolgen, mit welchem Entzücken meine kleine Nichte zuerst die von mir genähte kleine Pumphose für ihre Puppe auspackte. Sofort zog sie ihr an. Noch köstlicher zu beobachten war, wie sie völlig aus dem Häuschen geriet, als sie die selbe Hose noch einmal in ihrer Größe auspackte. Auch die wurde umgehend anprobiert – mit allem Drum und Dran, wie Dreijährige sich eben die eine Hose aus und die neue anziehen. Meine Schwester berichtete mir, sie habe meine Nichte drei Tage und Nächte nicht dazu bewegen können, die Hose wieder auszuziehen. Mit meiner Cousine hatte ich übrigens zuvor noch nie Weihnachten gefeiert.
Zum Jahresende wurde mir klar, dass ich den Lehrauftrag für ein Tanztherapie-Seminar, dem ich vor mehr als einem Jahr zuvor zugestimmt hatte, nun ebenfalls online würde erfüllen müssen. Wie groß war meine Aufregung! Gut, ich war schon bei einigen Seminaren Teilnehmerin gewesen, darunter auch Tanz- und Körperarbeit, auch hatte ich schon, eher zum Spaß, für einige private Meetings den “Horst” gespielt, aber ein mehrtägiges Seminar für angehende Tanztherapeuten – ich – an meinem kleinen Laptop – in meinem Zimmer? Es funktionierte hervorragend. Sicherlich halfen meine aufgeregten Telefonate mit anderen Tanztherapeutinnen sowie die Einweisungen durch meine Schwester, die bereits seit März 2020 per Zoom unterrichtet. Auch die Tests mit meinem Mann zum Ton und Videos und Körperpositionen, er in seinem Arbeitszimmer, ich in meinem, trugen sicher zum Erfolg bei. Doch ich glaube, am hilfreichsten war, dass ich darauf vertraute, dass wir alle miteinander ziemlich neu und ungeübt in diesem Feld waren und gleichzeitig ungemein gern mit uns und unseren Körpern Erfahrungen machen wollten. An den Abenden nach Seminarende klappte ich zutiefst beglückt und zufrieden den Deckel meines Laptops zu – amazed darüber (ein besseres Wort will mir nicht einfallen), amazed, was alles über diesen virtuellen Weg möglich ist.
So tue ich es noch immer, auch wenn das Online-Unterrichten mittlerweile schon bald Routine geworden ist. Und so bequem! Keine Fahrtzeiten, kein Warten bei Nacht auf zugigen Bahnhöfen, keine vergessenen Unterlagen bei mir selbst oder bei den Teilnehmenden. Es ist einfach immer alles zur Verfügung oder über das Internet schnell zugreifbar in dem kleinen Silberkasten. Und danach einfach Deckel zu – und mit meinem Liebsten kuschelig den Abend ausklingen lassen.
Meditiert habe ich übrigens vor zwei Wochen auch zum ersten Mal via Zoom und sogar gesungen. Es war so allertiefstens erfüllend, dass ich es morgen Abend gleich wieder tun werde und dann wieder und wieder – alle 14 Tage – so lang es eben dauern möge.