Ich bin eine leidenschaftliche Schreiberin. Ich schreibe Tagebuch, liebe das kreative Schreiben, versuche mich an Gedichten und besuche Schreibkurse. Zum Schreiben verwende ich schön gestaltete Schreibbücher und Schreibhefte in DIN A 5.
Im Frühjahr 2019 entdecke ich ein 5-Jahres-Tagebuch in einem warmen Blauton mit zwei Lesebändchen. Auf jeder Seite ist Raum für einige Zeilen zum gleichen Kalendertag in fünf verschiedenen Jahren.
Mein erster Eintrag ist am 10.2.2019:
Sonntag. Ein Spaziergang bei Regen und Wind mit Veronika. Kopf und Körper durchgelüftet. Auch an diesem Schreibtag vor zwei Jahren, am 26.2.2019, ist eine Notiz enthalten: Dienstag. Anstrengender Tag. Fünf Vorstellungsgespräche und kein Treffer. Den schönen Frühlingstag habe ich verpasst. Bis Ende Mai 2019 schreibe ich täglich in mein blaues Tagebuch, dann gibt es nur noch sporadische Einträge. Ich verliere die Lust, die tägliche Notiz ist mir zu viel, ein Fehlkauf, denke ich.
Im März 2020 ändert Corona mein Leben und das Leben aller Menschen weltweit. Ab 16.3.2020 wird in Deutschland der erste Lockdown verhängt. Geschäfte, Universitäten, Schulen, Kitas, Restaurants, Cafés, Sportstätten, Friseure, Kirchen müssen schließen, Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten.
Mein persönlicher Tiefpunkt ist am Freitag, den 13.3.2020. Im Job werden alle Fortbildungen und Dienstreisen abgesagt, Besprechung sollen auf das Notwendigste beschränkt werden. Meine Ausbildungspläne für die Anwärter*innen lösen sich auf. Die aufwändige Planung der letzten Monate, alles umsonst. Mein Chef sagt die üblichen wöchentlichen Besprechungen ab. Das warme Mittagessen hole ich in der Kantine und esse in meinem Büro. Kein Austausch in der Mittagspause, keine Besprechungen mit meinen Kolleg*innen, ich bin mit meinen Fragen allein. Überhastet und ohne Plan schicken wir die Hälfte der Anwärter*innen ins Homeoffice. Chaos. Ich werde überrollt von den Ereignissen, fühle mich hilflos und ohnmächtig. Tränen fließen.
Zuhause schreibe ich, lasse meine Ohnmacht und das Chaos aufs Papier.
Mein 5-Jahres-Tagebuch kommt mir in den Sinn. Ich möchte diese besondere, verrückte Zeit festhalten. Ich suche in Google und trage die wichtigsten Corona-Daten nach.
1.12.2019: Der erste Patient einer unbekannten Lungenentzündung wird in China registriert.
13.1.2020: Das Coronavirus breitet sich aus und es werden weitere Personen außerhalb Chinas mit dem Virus infiziert.
14.3.2020: Corona-Virus – es gibt nur noch ein Gesprächsthema.
25.4.2020: Samstag, erster Einkauf im Supermarkt mit Make – ätzend.
Das 5-Jahres-Tagebuch wird zu einem wichtigen Begleiter. Ich notiere besondere Momente des Tages, Gedankensplitter, meine Stimmungen, das Wetter, Corona-Ereignisse. Wenn ich Zeit habe, verschönere ich die Zeilen mit passenden Zeichnungen in Buntstift. Beim Durchblättern des Tagebuchs gefallen mir diese bunten Zeilen am besten.