Yuma, 64 , Wortspielerin, lebt vom täglichen Blick auf den Rhein bei Koblenz

Ein Gegenstand, der für mich in der Corona-Zeit besondere Bedeutung gewonnen hat, ist…

…mein Computer.

Ich, die ich bisher nie besonders computer-affin war, habe mich mit viel Vergnügen dem Rechner zugewandt. In den ersten Monaten habe ich Facebook erkundet und seine Stärken. Meine Suchanfragen galten zumeist Schreibgruppen. Was sich da alles auftat! So fing ich fröhlich an, in kleineren und auch größeren Gruppen Beiträge zu posten. Heilsames Schreiben von Mutsätzen läutete den Tag ein. Es war wohltuend und heiter. Die erste Gruppe „Letter auf Blätter“ hatte sich zum Ziel gesetzt – weil der Hype aufs Toilettenpapier so omnipräsent war –, etwas Kurzes auf ein einzelnes abgerissenes, unverbrauchtes Blättchen zu schreiben. Sehr witzige Texte entstanden, Kontakte und immer wieder neue Ideen. So wurde denn auch der „Schreibfloh“ geboren und lud ein zum Kreativen Schreiben.

Mit Enthusiasmus und Hingabe ergossen wir unsere Fantasien in Facebook und lachten uns schlapp. Aber nicht nur, auch Tiefsinniges und Anrührendes war unter den Texten und schuf Verständnis, Mitgefühl und Nähe. So ermöglichte mir der PC über Social-Media sehr ausgelassene und auch konzentrierte Stunden, während derer ich nachdenken konnte über angerissene Themen und schreiben – immer tiefer in mich hineinschreiben, egal, ob es für eine der Gruppen oder nur für mich war. Ich fühlte mich ausgelastet, kreativ gefördert und anerkannt. So dass plötzlich ich, die ich Facebook gegenüber nicht uneingeschränkt positiv eingestellt bin, eine eigene Gruppe initiierte: den „Haiku-Dialog“. Dorthin lud ich einige Menschen ein, die ich beim Schreiben im Netz kennengelernt hatte, und wurde zur Haiga-Frau. Nichts liebte ich über Monate hinweg mehr, als morgens nach dem Frühstück ein Haiku zu ersinnen und dazu die passenden Fotos zu finden oder sogar eigene „Installationen“ zum Abfotografieren zu kreieren. Ich wurde süchtig.

Um aber nicht einseitig zu werden, ging die Suche nach Schreibgelegenheiten im Netz weiter. Das war ein Surfen! Frischer Wind blies mir in die Haare, ich wurde fortgetragen von der Welle. Hatte ich bis dahin möglicherweise versäumt, mich lustvoll im Netz davontreiben zu lassen, so holte ich jetzt die verpasste Computerlebenszeit auf. Immerzu Smartphone, Laptop und Bildschirm. Es begann schwierig zu werden, nicht ständig auf der Lauer nach Reaktionen, neuen Beiträgen oder Schreibanlässen zu liegen.

Bald reichten die Gruppen für kurze, überschaubare Texte nicht mehr aus, um das Bedürfnis nach mehr Tiefgang zu befriedigen. Der erste Schritt in Zoom war somit unausweichlich. Meine Freundin, die sich an meinen Sicherheitsbedenken und dazu kopierten und verschickten Links nicht lange aufhielt, lud ein zum Schreiben mit Zoom und war somit der Eisbrecher. In kleinem Rahmen unter vier Freunden schrieben wir verbunden durch unsere Bildschirme. Naja, gar nicht so schlecht und schlimm war es auch nicht. Weiter, mehr! Nach Wiederholung dieses intimen Vergnügens war die Scheu überwunden und der PC wurde zum Alltags-Helden meines Corona-Jahrs. Täglich liebäugelte ich mit ihm, keine Ablehnung mehr. Er wurde mir teuer. Bald war er mir Vertrauter und ermutigte mich. Ich meldete mich für Schreib-Sessions mit Unbekannten an. So hatte ich wöchentlich meine Auszeiten von Isolation und Kontaktarmut. Ich lernte Menschen kennen und bekam Anstöße, hatte Stunden und Tage vor mir, die verplant waren fürs Schreiben und zum Austausch. Es war herrlich.

Aber was, wenn die Technik mal ausfiele? Mir war plötzlich die Abhängigkeit bewusst und dann auch das Glück, dass alles fast immer funktionierte und ich verlässlich verbunden war mit der Welt. Beim Stöbern in Facebook fand ich auch den „Daily Haiku“, der weltumspannend von englischsprachigen Usern gelesen und bereichert wird. „Täglich ein Haiku“ ist die Devise der dort mit Herzblut Schreibenden, und es ist beglückend zu spüren, welche Gemeinschaft sich innerhalb des Pandemie-Jahres gebildet hat (Am „Tag der Poesie“, am 21.03. feiert diese Gruppe einjähriges Bestehen und hat jetzt 5000 Mitglieder erreicht). Diese Haiku-Poeten und -Poetinnen stützen und umarmen sich mit 17 Silben – manchmal auch weniger, verbissen sehen sie die Regeln nicht, eher spielerisch. Das Zentrale in dieser Gruppe ist das Miteinander.

Auch für mich hat die Technik ein Miteinander ermöglicht, das hilfreich ist und gute Laune macht. Dass sie je solch eine Bedeutung für mich haben würde, hätte ich nie gedacht. Ich tausche mich über Zoom in Gruppen, mit Bekannten und Freunden aus, erzähle von Vergangenem und Zukunftsträumen. Sogar meine Silvesterstimmung hat sie mir gerettet. Denn absolut kurzfristig mussten wir das Treffen im gemütlichen Zuhause bei meiner Freundin zum gemeinsamen Schreiben ins neue Jahr umwandeln in eine Zoomsitzung, weil sie kurz zuvor von einem Kontakt mit einer Corona-Betroffenen erfahren hatte. Silvester im virtuellen Raum! Hört sich spannend an, oder? Da ließe sich doch was draus machen, meint ihr nicht?

Langsam, ich muss es gestehen, geht mir dieser Computer, der meinen Alltag nun aus anderen Gründen dominiert, aber doch auf den Keks: Homeschooling! Plattformen, die nicht aufgesucht, aber angeboten werden müssen, Konferenzräume, die nicht oder nur schwerfällig funktionieren. Die Verbindungen sind schlecht und ermüdend. Ich ginge nun doch wieder lieber in die Schule und blickte in schlafende, glänzende oder fragende Augen. Bei aller neu erwachsenen Liebe zu IT, ich wünsche mir wieder angstfreien, echten Kontakt.