So erleichtert war ich, als diese Richtung auch von anderen gekommen ist. Und zwar gleich zu Anfang, glaube ich. Immer das mit dem schlechten Gewissen – mit und ohne Corona. Vielleicht eine Gelegenheit, es „loszuwerden“?! Aber geht das mit dem Loswerden? Da ist doch immer wieder das Annehmen. Funktioniert das auch beim schlechten Gewissen, bei dem Gefühl, nicht in Ordnung zu sein? Das so unterschwellig immer da ist. Und das nicht bei allen, wie mir am Sonntag klar geworden ist.
Muss es mir heimlich gut gehen? Darf ich es ganz offen genießen, die Zeit für mich zu haben, ohne krank sein zu müssen? Darf ich mir Gutes tun, Yoga machen, schreiben, atemüben, spazieren gehen – und das sogar laut sagen? Gut – ich könnte Neid erleben oder Verurteilung oder das Gefühl bekommen, anderen helfen zu müssen, sobald ich die Kraft dazu habe.
Woher kommt das, dass ich nicht laut sagen darf oder die Meinung, dass es nicht sein sollte oder etwas nicht stimmt, wenn es so ist. Ok – sag es – die Meinung, dass wir leiden müssen, dieses Leben ein Jammertal ist und alle, die es sich gut gehen lassen, letztendlich bestraft werden. Und die, die leiden, belohnt werden.
So lang ist das her – und noch immer ist diese Stimme da in mir. Wie werde ich sie los? Werde ich sie los? Kann ich sie, darf ich sie loswerden? Grad denke ich, dass es LeserInnen nervt – dieses … was ist es eigentlich? Jammern nicht wirklich. Festhalten? Gefangensein? Ah – es ist eine Art von Opferhaltung. Jemand hat nicht gut gefunden, dass es mir gut ging, ich mich gefreut habe und ich bin unter der dunklen Decke verschwunden. Heimlich freuen, mit schlechtem Gewissen freuen. Ok, das war mal. Und vielleicht kann ich immer wieder solche Reaktionen erleben. Aber sind sie wirklich so relevant? Helfe ich der Welt nicht viel mehr, wenn es mir gut geht, ich mich freue und andere damit „anstecke“? Dann muss ich es anderen auch nicht neiden, wenn es ihnen gut geht, sie das Leben genießen, „alles“ haben. Dann kann mein Leben vielleicht endlich so werden, wie ich es mir wünsche – oder muss es vielleicht gar nicht mehr.
Vielleicht brauche ich dann die unerfüllten Träume vom Haus mit Garten, Pferd und was noch alles nicht mehr. Weil ich mich freuen darf. Egal worüber. Weil es mir gut gehen darf, ich es in vollen Zügen genießen kann, ohne mich auspowern zu müssen, um endlich Ruhe zu haben. Mich einfach so um mich kümmern darf, auch wenn es nicht schon dringend notwendig ist. Mir dieses und jenes – ja, konkret – die schöne Ölmassage, die Faszienmassage, den Wellnessaufenthalt und und und gönnen darf. Jawoll – das wird so schön! Das kann schon so schön sein. Ich glaube, der Welt ist mehr gedient, wenn es mir gut geht. Und wenn ich diesen Gedankentrick brauche, um mir das Gutgehen zu erlauben – why not? Es stimmt ja wohl auch.
Also ja – ich darf genießen ohne schlechtes Gewissen. Und wenn ich es immer wieder üben muss, dann ist das halt so. Ich darf es immer wieder üben. Ich darf üben, dass ich genieße – die Ruhe, Verlangsamung, Reduziertheit und die vielen neuen Möglichkeiten – wie dieses Projekt grade – der sogenannten Corona-Zeit. Auch das. Und auch ohne, ganz ohne Virus-Problem darf ich auch genießen und darauf schauen und achten, dass es mir gut geht. Ich schau auf mich und damit auch auf dich in Wirklichkeit. Genießen kann sich wohl ausbreiten. So wie ich mich entspannen kann, wenn ich einer Katze zusehe, wie sie sich genüsslich rekelt, zuammenrollt, ableckt, dehnt, streckt – einfach, weil ihr danach ist. Und sehr wahrscheinlich kein schlechtes Gewissen dabei hat. Genüsslich. Allein das Wort fördert meine Entspannung, lässt mich lächeln. Der Krampf zieht mich zusammen. Genießen lässt mich Weite fühlen und Leichtigkeit.
Das will ich üben. Und das schlechte Gewissen als Erinnerung daran erkennen.