Clara, 40, Familienmensch, Studentin, Sterbe – und Trauerbegleiterin aus dem Schwarzwald

Corona betrifft mein Leben, weil…

…ich bin auf Familienentzug.

Gerade heute Mittag haben wir uns an unseren Hochzeitstag erinnert, unseren 20., Porzellanhochzeit. Wir hatten viele Ideen gesammelt, geplant und geträumt und wollten diesen Tag so gerne mit Familie und mit Freunden feiern.
Und dann kam Corona.

Gefeiert haben wir trotzdem.
Wir haben ein 5-Gänge-Menü gekocht, getreu dem Motto 20 Jahre-20 Zutaten. Und auch wenn wir, ganz coronakonform, nur im engsten Familienkreis feiern konnten, war es ein schöner Tag.
Das war im September.

Heute Mittag gab es zufällig den Hauptgang unseres Hochzeitsmenüs. Beim Essen sagte mein Mann plötzlich, an diesen Tag waren wir alle das letze Mal zusammen…
Das betrifft mich, trifft mich, macht mich betroffen.

Corona betrifft mein Leben, weil es Grenzen zieht. Weil Familienleben (über die eigenen vier Wände hinaus), unbeschwertes Miteinander, kaum mehr möglich ist. Und das nun schon so lange.
Komisch, dass ich immer an feiern denke, obgleich ich eher ein passionierter Stubenhocker bin.
Ich glaube, mir fehlt die Unbeschwertheit, das Zusammensein, das Miteinander, die Spontanität, mir fehlt es, miteinander zu singen, zu lachen, sich in den Armen zu liegen und über den Hof zu tanzen. Mir fehlt es, frei zu sein.

Es macht mich sprachlos, dass ich auf dem Weg zur Arbeit in einer völlig überfüllten Bahn sitzen soll, aber meine Familie nicht sehen darf. Ich verstehe nicht, dass meine Mutter zu uns kommen darf, als Einzelperson, wir als kleine Familie aber nicht zu ihr, wenngleich sich die Personenzahl nicht ändert …

Ich bin auf Familienentzug, eindeutig.

Gerade muss ich lachen, weil ich plötzlich diesen Satz aus meiner Kindheit im Ohr habe, vielleicht kennt ihr ihn auch: Getroffene Hunde bellen.

Und ich merke, ich bin gerade richtig wütend geworden und möchte meine Wut hinaus bellen.
Und gleichzeitig fehlen mir die Worte.