…weil sich die Abenteurerin und Forscherin in mir gerade etwas eingesperrt fühlt.
Ich liebe das Entdecken, das Erforschen, das Herumstromern. Ich liebe das über den Tellerrand schauen und in andere Welten eintauchen.
Und ja, all das geht jetzt auch anders.
Doch ich mag es wirklich gerne, fremde Landschaften zu erlaufen. Mich in unbekannten Städten zu verlaufen. Mich in das Stimmengewirr mir nicht bekannter Sprachen zu betten und einfach nur den Klangfarben zu lauschen. Ich mag es, über Märkte zu streifen, Neues zu kosten. Ich liebe es, wenn mir Geschichte in Form von Architektur begegnet und nachhallt. Und ich liebe Kunstmuseen – all over the world.
Ja, das vermisse ich wirklich arg.
Und ja, jetzt bin ich hier mit meiner kleinen 4rer Familie in unserem Dorf. Und ja, uns geht es gut.
Und ja, das Internet ist auch eine Reise wert. Ich entdecke auch hier so viel Neues. Unfassbar. Ich bin wirklich froh. Und doch mag ich das Direkte, das Spüren, den unmittelbaren Kontakt mit der Welt. Und so bleibt es mir nur zu träumen. Meine Mikroabenteuer in die Umgebung zu verlegen.
Mich verbindet das Unterwegssein auch so sehr mit uns als Paar und als Familie. Hier blühen wir auf. Hier sammeln wir Schätze, die ganz lange mit uns getragen werden. Ich bin froh, dass ich schon so viel entdecken durfte. Was für ein Privileg! Und gleichzeitig habe ich eine so unbändige Neugier in mir. Ich mag diese Welt bereisen. Sie in ihrer Vielfalt erfahren. Ich liebe es, Erlebnisse wie kleine bunte Murmel zu sammeln und durch mein Labyrinth der Erinnerung rollen zu lassen. Ich bin Nomadin, ich bin Wanderin, ich bin Reisende, Suchende.
Was wird das mit uns machen, als Familie? Das Zurückgeworfen sein auf nur Wir? Ich habe oft den Vorwurf gehört, es sei Flucht. Doch so fühlt es sich keineswegs an. Ich entdecke tatsächlich auch hier so viel Spannendes. Lauf mit wachem Herzen durch die Welt und staune immer wieder.
Ich kann das aber auch sonst. Ich habe es immer schon getan. Es lief parallel. Bunte, lebendige Paralleluniversen. Will ich vielleicht noch viel mehr reisen und ortsunabhängig leben. Dieser Gedanke fühlt sich oft so kribbelig in mir an. So lichtvoll, anregend und so aufregend. Mit wenig Hab und Gut unterwegs sein. Wir lieben das Nest. Ja, und ich liebe meine Bücher, Farben, Papiere. Doch was davon brauche ich wirklich? Wirklich, wirklich?
Ich liebe das Reduzierte, das wenig Anhäufen, das viel, viel mehr Zeit für Austausch, für Reflexion, für Inspiration. Zeit fürs Abtauchen und Eintauchen. Für gute und tiefe Gespräche. Für bewusstes Hiersein und Leben. Ich liebe das. Das ist die Luft, die ich atme, die ich atmen will. Es ist so viel, um was man sich kümmern muss, was sauber gehalten oder geschützt werden will. So viel Zeit, die da draufgeht. Wie schade. Ich mag viel lieber in den Tag leben, mich dem Leben hingeben, mich in das Leben hinein strecken, es aufsaugen, mich mitreißen lassen und selber mitreißen.
Wie wichtig ist da ein fester Ort? Wozu brauche ich ihn? Er verkörpert Schutz und Sicherheit.
Wärme und Geborgenheit. Zuhause. Doch oft spüre ich dieses Gefühl auch beim Sein mit anderen. Bin dann da. Doch was ich brauche ist ein Rückzugsraum. Oh ja, ein Ort, der für kurze (oder lange) Zeit nur mir gehört. In dem, ich in Stille sein darf. Unbeobachtet, beschützt. Und ich glaube, ich brauche immer wieder auch das Ankommen und die Freunde. Obwohl, wir waren solange auf Reisen. Doch ich liebe mit Freunden zusammen zu sein. Zusammen Welt entdecken oder Kaffeetrinken. Die Kinder der Freunde beim Wachsen erleben. Ach menno, Flügeln und Wurzeln. Goethe hat schon gesagt oder war es jemand Anderes? Verwurzelt sein und mich frei bewegen können. Doch was machen diese Wurzeln aus? Ist es der Geburtsort? Der Heimatort, wo man aufgewachsen ist? Was ist es? Was macht es wirklich aus? Wo fühle ich mich verwurzelt?
Ich mag sandige Böden, Kiefern und Sehen. Ich bin ja auch Brandenburgern. Naja, vielleicht nicht ganz. Aber fast. Ich bin in Sachsen-Anhalt geboren, in Brandenburg aufgewachsen, habe in Mecklenburg studiert, kurz in Baden-Württemberg gelebt und lebe jetzt in Sachsen. Zwischendrin längere Reisen. Südamerika war plötzlich mein Zuhause. Frankreich, Spanien, Portugal, dann auch Kuba und Florida. Ich habe es geliebt, mich in diese neuen Welten einzulassen. Und gleichzeitig brauchte ich immer auch diesen kleinen, weichen Kokon der Sicherheit. Mal war es ein Schlafsack, ein Zelt, ein Zimmer, eine Wohnung.
Wie mag es wohl obdachlosen Menschen gehen? Ich kenne niemanden. Ich bin dankbar für mein Zuhause. Vor allem gerade jetzt, wo es so kalt war. Natürlich. Und ich denke, wie kann ich überhaupt darüber philosophieren, wie es wäre, ohne alles zu sein, wo Menschen in Bosnien in der Kälte ausharren müssen. Und doch mache ich mir diese Gedanken über Beides. Über die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten und auch über meinen Freiheitsdrang, meine Lust am Unterwegssein und am Entdecken.
Ja Corona, du betriffst mich.
Denn was ich auf diesen Reisen immer gelernt habe, war Dankbarkeit und Mitgefühl. Jedes über den Tellerrand schauen, jedes neue Perspektiven einnehmen, jedes Kennenlernen der anderen, jede offene Begegnung von Herz zu Herz … all diese Erfahrungen haben mich geformt. Haben mein Herz weiten lassen. Haben aufgerüttelt, und mich verrückt.
Ja, deswegen liebe ich das Unterwegssein so sehr. Weil es mein Weltbild immer wieder anruckelt und mich alles wieder neu denken und fühlen und zusammensetzen lässt.
Ein herrlich buntes und aufregendes Wachsen und Werden.