Jana, 59 J., verheiratet, 3 erw. Kinder, 5 Enkel, selbständig (LSB, TCM) / EPU, Erwachsenenbildnerin, Musikerin, wohnhaft in einer Bezirkshauptstadt im Salzkammergut

Corona betrifft mein Leben und zwar, zum Beispiel…

…weil ich mich in einer völlig neuen Lebenssituation wiedergefunden habe.

Ich habe so wie ganz viele andere auch, alle Aktivitäten, die ich neben meinem Beruf und meiner Familie ausgeübt habe, auf der Strecke gelassen. Eigentlich habe nicht ich sie auf der Strecke gelassen, sondern sie sind auf der Strecke geblieben. Ich habe keine Möglichkeit mehr, sie auszuüben.

Ich bin Musikerin, bin Mitglied mehrerer Ensembles, Orchester, Chor – und diese Aktivitäten sind seit einem Jahr nicht mehr möglich. Es gibt nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, online einen Ausgleich zu schaffen. Ich kann online Musik konsumieren über Streaming Angebote. Das finde ich sehr fein. Es ist besser als nichts. Doch da ich selbst Musikerin bin und weiß, wie sehr künstlerische Aktivitäten von der Interaktion mit dem Publikum leben, habe ich direkt Mitleid mit Orchester Mitgliedern, die ohne Publikum und ohne Rückmeldung und Applaus bloß vor der Kamera spielen und sich ins Zeug legen.

Ich habe Theater gespielt in einer sehr engagierten Amateur Gruppe und ich erinnere mich, wie wir bereits während der Proben spekuliert haben, welche Sequenzen des Theaterstückes zu den sogenannten „Rennen“ oder „Lachern“ beim Publikum führen werden. Das fällt jetzt alles weg. Es gibt keine Interaktion. Es gibt das reine Tun und Agieren. Doch die Resonanz bleibt aus. Ich selbst bin in keinem Profi Orchester, d. h. ich bin darauf angewiesen, dass Probenarbeit wieder offiziell möglich ist.

Ich habe als Spätberufene vor zwei Jahren nochmal ein neues Instrument in Angriff genommen. In diesem Zusammenhang nehme ich Unterricht in einer Landesmusikschule. Dies ist online möglich. Mein Lehrer hält wöchentlich Unterricht ab und ich bin motiviert, mich in der Zwischenzeit wirklich intensiv in mein Instrument zu vertiefen.

Ich übe. Verfeinere meine Kenntnisse. Genieße es unglaublich, dass ich kaum Ablenkungen ausgesetzt bin und richtig viel Zeit habe. Das hat eine neue Qualität bekommen in meinem Leben. Es gibt keine Ablenkungen mehr. Freizeit ist richtig freie Zeit. Ich setze mich auf keinen Ablenkungen aus. Fernsehen interessiert mich nicht. Bücher lese ich wenig. Proben gibt es keine. Ich habe Unmengen an Zeit gewonnen, in der ich mich mit mir und meinen Anliegen befassen kann.

Ich bin verheiratet. Auch mein Mann hat keine Ablenkungen. Auch er ist uneingeschränkt zu Hause. Wir sind beide noch berufstätig. Unsere gemeinsame Freizeit betrifft die Abende und die Wochenenden. Die nützen wir entweder für Bewegung an der frischen Luft oder für gemeinsames Spiel.

Wir spielen Karten oder andere Brettspiele zu zweit oder mit der im Haus, in einem eigenen Haushalt lebenden Schwiegermutter und ihrer 24Stunden Pflegerin. Für mich ist es unglaublich beruhigend, dass wir viel miteinander anfangen können.
Vor Corona waren wir irgendwie ständig auf der Achse. Wir hatten unabhängig voneinander oder auch gemeinsam viele Abendtermine. Die sind jetzt Corona bedingt alle weggefallen. Und so verbringen wir die Zeit daheim. Es ist ungemein beruhigend, dass uns noch nie langweilig geworden ist.

Wir sehnen natürlich Beide den Tag herbei, wo wir uns wieder frei bewegen können und auch unseren Hobbys nachgehen können. Und gleichzeitig haben wir beide unabhängig voneinander festgestellt, dass es uns eigentlich richtig guttut, dass wir so viel Zeit füreinander haben. Wir sind ruhiger geworden, sehr ausgeglichen, haben Zeit füreinander, die wir vor Corona in unsere Hobbies investiert haben. Irgendwie empfinden wir diese so seltsame Zeit beide als Geschenk, auch wenn sie uns manchmal richtig auf die Nerven geht.

Unsere drei Kinder sind alle erwachsen und haben selbst Familien. Sie leben weit entfernt von unserem Wohnort. Das heißt, wir haben keine Großelterlichen Aufgaben oder Verpflichtungen. Wir besuchen uns ab und zu gegenseitig. Doch, doch, das beschränkt sich eher auf Ferienzeiten. Dazwischen tauschen wir uns angeregt in einer Family-Gruppe auf Signal aus. Ja, da kommt jedes Thema vor. Ein wenig philosophieren wir manchmal sogar über Corona und seine Auswirkungen. Ich frage mich manchmal, worüber haben eigentlich die Medien vor der Corona-Zeit berichtet? Ich finde es erstaunlich, wie schnell es möglich war, dass diese Themen alle in den Hintergrund gerückt sind, als gäbe es diese Themen gar nicht mehr.

Ich komme mir manchmal vor wie in einem Theaterstück, wo ich als Marionetten-Puppe an Fäden hänge und meine Bewegungen von einem Puppenspieler oder einer -spielerin geführt werden. Irgendwie sind wir alle plötzlich so geführt, Alle – auf der ganzen Welt. Alles geht irgendwie in dieselbe Richtung. Und die, welche nicht an diesen Fäden hängen, werden vom Regisseur nicht beleuchtet oder einfach ausgeblendet. Die Überschrift des Stückes, das da auf der großen Weltbühne gerade aufgeführt wird, heißt „Corona“. Und dann tanze ich plötzlich wieder aus der Reihe, setze mich in den Zuschauerraum und schaue mir das Stück an. Auch wenn ich mein neues Instrument, die Tuba zur Hand nehme und übe, klinke ich mich aus.

Für mich ist es wichtig, dass ich Corona wahrnehme, sehe, respektiere. Und, dass ich keine Angst davor haben muss. Ich nütze die Freiräume, die mir Corona beschert hat und genieße sie sehr. Und so sitze ich heute da und beschäftige mich damit, wie mich Corona betrifft. Ja, und DAS ist jetzt dabei herausgekommen.