Elisabeth, 54 Jahre, im Pflegebereich tätig, wohnt in einer österreichischen Hauptstadt

Mein geerdetes Innenreich

Wenn Corona nicht gewesen wäre, … dann würde ich vielleicht im Moment die Welt erkunden. Ich würde im Flugzeug nach Südamerika auf Menschenvielfalt treffen, deren Lebensgeschichten sich in Gesichtern erahnen lassen. Manch eines wäre vielleicht von einem Schleier bedeckt, aber nicht gleich mit einer Filtertüte vor der Nase, die einem Pinguin-Schnabel ähnelt. Ich würde mit dem Bus durch das Land reisen, die Salzwüste Boliviens entdecken, einen Berg in Chile besteigen und bewundernde Laute ausrufen. Da ich aber durch das Virus gezwungen bin, zu Hause zu bleiben, gibt es das nicht.

Aber es gibt andere Reisen, Reisen in mein Inneres, die mir zeigen, dass es nicht immer die große, weite Welt braucht, um etwas zu erleben sondern, dass es ebenso spannend sein kann, in sein Inneres zu reisen. Denn dort gibt es unzählige Inseln, die entdeckt werden wollen. Weiße Flecken auf einer Landkarte, die nach meinem Maßstab gezeichnet ist, in denen meine eigenen Ureinwohner nach ihren Vorstellungen tanzen und das Leben im Arm halten.

Dort innen gibt es gar nicht so viele Einschränkungen: Abstandshalter oder Schutzmaßnahmen. Abseits der Coronaregeln existiert „Coronafreiheit“ in mir, die ich zu mir in Beziehung bringen möchte. Beginnen wir bei den Einschränkungen. Wer verbietet mir denn, dieses oder jenes zu denken, Ideen zu spinnen, die an Verrücktheit grenzen und nicht eingesperrt werden wollen? „Die Gedanken sind frei,“ singt Konstantin Wecker. Ich stimme mich in sein Lied ein, gewähre mir diese Freiheit.

Mein inneren Abstandshalter bedürfen keiner Minikuh, keinem Babyelefant. Es gibt Grenzen, aber diese ziehe ich nach meinem Dafürhalten – nach außen, wenn mein Eigenmaß überschritten wird. Es bedarf meiner Eigenverantwortung, die eine oder andere Innengrenze, die okay sind zu akzeptieren oder in Richtung Süden oder Westen zu verschieben. All dies ist erlaubt, meine Freiheit. Nun kommen wir zum dritten Punkt. Die Schutzmaßnahmen, die Reinigung bzw. Desinfektion kann in meinem Eigenreich genauso eine Rolle spielen. Reinigen, regelmäßig entrümpeln und überdenken, was nicht mehr zu mir gehört und passt. Aber mich auch manches Mal vor meinen eigenen abstrusen Ideen in Schutz nehmen.

Da Corona in die Quere kam, habe ich nicht die Welt erkunden können, aber viele Gebiete in mir erforscht: ein wertvolles geerdetes Reich.