Marje B., 56 Jahre alt und Rentnerin., 2 erwachsene Söhne, verwitwet und lebt in einer Kleinstadt in Ostfriesland

Corona betrifft mein Leben

Mein Tagesablauf hat sich total verändert, nachdem von einem Tag zum Nächsten alle außerhäusigen Verpflichtungen wegfielen. Meine freiberufliche Tätigkeit ist nicht systemrelevant, aber es war und ist unklar, für welchen Zeitraum. Somit bin ich auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Die ersten 4 Wochen konnte ich es als Urlaub sehen und sogar etwas genießen. Danach waren alle Termine im Kalender geblieben. Als sie näher kamen, wurde klar, dass ich sie streichen muss/kann….

Aber ganz anders verplanen konnte ich die Zeit auch nicht, da ich nicht wußte, wann es wieder losgehen kann. Im Sommer durfte ich dann in einigen Bereichen wieder loslegen und ich fühlte mich wieder „nützlich“. Dann schon die Vorahnung, als im Spätsommer die Zahlen wieder langsam stiegen…..Nun geht es schon wieder seit 4 Monaten im 4Wochentakt….und ich habe nur Verpflichtungen mir selbst gegenüber. Das hört sich erstmal verlockend an. Doch nach Jahrzehnten als alleinerziehende Mutter mit meist freiberuflicher Tätigkeit bin ich es nicht mehr gewöhnt, nur für mich zu sorgen.

Was ist also wirklich wichtig FÜR MICH? Lohnt es sich, nur wegen mir aufzustehen? Lohnt es sich, außer der gemütlichen Leggins etwas anzuziehen, wenn ich mein Haus, mein Grundstück garnicht verlasse? Lohnt es sich, mir die Haare zu waschen, aus dem gleichen Grund?

Eine große Depressionswelle überrollte mich, da mein eigentlich großer Freundinnen- und Bekanntenkreis plötzlich nicht mal mehr Treffen draußen wollte. Alle haben Partner und/oder Familie und somit wenig Anlass, sich mit mir zu verabreden. Und mir fehlt zwischenzeitlich die Kraft. Zum Glück kam im Ehrenamt eine Verpflichtung, rauszugehen. Und damit auch der Geistesblitz: Ich bin für mich Grund genug, morgens aufzustehen!!!! Ich bin für mich Grund genug, zu duschen, mein Haar zu waschen und mich anzukleiden. Und ein Spaziergang mit mir, jeden Tag, tut gut. Und Meditation auch. Und dazwischen darf ich traurig sein, dass sich viele nicht melden und keinen Platz für mich haben.

Danach schaue ich, wie ich die dadurch gewonnene Zeit anders nutzen kann. Und sei es, um die Wolken zu beobachten. Diese Eigenmotivation fällt mir aber immer schwerer. Und das ICH-HEUTE-Hier hätte gern eine Perspektive. Die gibt es nicht und dann merke ich, wie Panik in mir aufsteigt…Gerne möchte ich diese besondere Zeit nutzen. Diese sinnfreie Zeit genießen.

Aber….Die Herausforderung für mich als alleinlebende Frau ist groß. Und ich nehme sie an, auch wenn ich den großen Sinn dahinter gern erkennen würde, jetzt, sofort. Aber zumindest weiß ich, dass ich ohne diese Corona-Situation nie einen online-Schreibkurs gemacht hätte. Und sicher auch nicht vieles andere „Nur für mich“, weil ich es wert bin.