…ein eigenes Arbeitszimmer zu Hause.
Gut, es ist kein wirkliches eigenes Zimmer, sondern nur die Ecke eines Zimmers. In dieser stand zuvor ein großer Ohrensessel, der oft unterfordert sein Dasein als Kleiderablage fristete. In diesem mächtigen Fauteuil hätte man sich auch weit zurücklehnen und dabei eine Fußstütze ausfahren können, aber dafür war das Platzangebot in diesem Winkel zu klein. Und überhaupt, schon wegen der vielen Wäschestücke darauf wäre ohnehin niemand auf die Idee gekommen, sich hier nieder zu lassen und zurück zu lehnen.
Seit Monaten arbeite ich nun schon im Home-Office. Nicht nur ich, sondern auch mein Mann. Und unser jüngster Sohn, der immer wieder im home schooling Modus ist. Das bedeutet, wo früher drei Personen täglich vor sieben Uhr morgens ausschwärmten und ein ganzes Haus leer zurück ließen, beanspruchen nun diese drei Personen Schreibtischarbeitsplätze für sich, und zwar in den eigenen vier Wänden. Die Organisation dazu war, zumindest was den Schüler betrifft, eine leichte Übung. Ein Schreibtisch in seinem Zimmer und ein Computer waren vorhanden. Der Computer diente ursprünglich als Rechner für die ganze Familie, nach wenigen Tagen des home schoolings erledigte er nur mehr schulischen Aufgaben. Für die Eltern war die Suche nach Arbeitsplätzen nicht so einfach. In unserem Haus, erst gute fünf Jahre alt, planten wir damals im Grundriss kein einziges Arbeitszimmer ein. Wozu auch. Wie pendelten zur Arbeit, und das Haus im Hinblick auf flügge werdende Kinder wurde bewusst klein gebaut.
Wir schlugen also die Firmen Laptops im plötzlich erforderlichen home office auf, mein Mann entschied sich für das im Wohnzimmer – sogar mit Platz für einen Drucker – und ich für den Küchentisch. Meine Wahl stellte sich als schlecht heraus. Während Videokonferenzen wühlten meine Co-Worker im Kühlschrank nach einem Pausensnack, während einer geistigen Hochleistung beim Verfassen eines heiklen E-Mails brodelte die Kaffeemaschine, und mitten in einer verschachtelten Excel Formel schnitten meine Kollgen Äpfel, mit Kommentaren über deren Knackigkeit oder angetitschte Stellen. Kurz, die Küche erwies sich in Corona Zeiten als kein Ort der ungestörten geistigen Ergüsse.
Ich begann das Haus nach Rückzugsmöglichkeiten zu durchforsten, fand aber nicht mehr als vier Zimmer. Nach logischer Betrachtung aller Möglichkeiten wurde es mir klar: Das Schlafzimmer ist ein Raum, der untertags nicht genutzt ist. Es ist ein Zimmer, wo ich alleine sein und eine Tür hinter mir schließen kann. Es hat sogar einen Ausgang auf die Terrasse! Ein Paradies. Meine Enklave. Mein „Untertags-Himmelreich“. Aber wo sollte hier mein Arbeitsplatz entstehen? Das Doppelbett musste bleiben, so viel war klar. Die kleine Kommode auch. Aber der Ohrensessel im Eck, neben dem Fenster! Der musste dran glauben.
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass anstatt dieses Lehnstuhls ein kleiner Schreibtisch, ein Bürosessel und ein Regal Platz hätten. Aber es geht sich wunderbar aus, und nun sitze ich hier, nachdem ich die Tür geschlossen habe. Ich arbeite konzentriert vor mich hin und genieße zwischendurch Pausen in der Küche. Dort wird dann seelenruhig nach Snacks gestöbert und mit anderen Familienmitgliedern über die Knackigkeit von Äpfeln gefachsimpelt. Und danach geht wieder jeder in sein home office.