Corona betrifft mein Leben und zwar zum Beispiel..
.. weil ich Woche für Woche nicht in Schulen kann.
.. weil mein Mädel nicht raus kann und regelmäßig die Krise bekommt
.. weil wir besonders liebevoll-innige Tage miteinander verbringen
.. weil ich nicht ins Café kann
.. weil ich nirgends aufs Klo gehen kann
Der erste Lockdown 2020 – ich hatte einen so dicht eingeteilten Terminkalender dass ich am Vortag zur entscheidenden Pressekonferenz zu meiner Tochter gesagt habe, dass alles zu viel wäre, und ich mir eine spontane Fügung wünsche. Am Tag darauf hielt ich einen Workshop am Abend für Eltern, mein Mädel saß zu Hause und lauschte der Pressekonferenz.
Die Nachricht per Whatsapp um 17:53 am 11. März: „ Und ja, ich bin am Montag bis Ostern daheim…“
Langsam. Ganz langsam mal.. Ich dachte, ich könne womöglich meine Workshops in den Schulen noch machen bis Dienstag, aber gleich an diesem Abend wurden von den Klassenlehrern die Kurse abgesagt, verschoben auf nach Ostern? (…) Ich wusste damals nicht, was dies für die nächsten Monate bedeuten würde.. in diesem Moment war es, als hätte jemand einen Spontan-Urlaub für mich gebucht. Ein Gefühl der Erleichterung und des „in mir Ruhens“ das mich in den nächsten Tagen überkam. Ton zum Töpfern wurde bestellt und Glasuren für den Aufenthalt zu Hause. Blumenerde und Samen fürs Mädel.
2 Tage später, es war der Freitagabend, begann für mich die schönste Liebesgeschichte, die ich bis jetzt erlebt hatte. Es war eine Zuschrift auf einer Plattform für Singles, die Zündung lag nur wenige Stunden weit weg. Es gab ein „über mich“ in seinem Profil, das ich nicht nur deswegen nicht verstand, weil es auf Latein geschrieben war.
RES SEVERA VERUM GAUDIUM
Wie immer brachte ich solche Zitate in den google-Übersetzer. „Ein wahres Vergnügen ist eine ernste Sache.“ Für mich ist und war Vergnügen immer etwas Leichtherziges, etwas wo ich nicht nachdenke. Mit vergnüglicher Freude im Herzen ernst die Stirn zu runzeln – wie passt das denn zusammen? Ein Gefühl der Ambivalenz, das mit meiner Welt nicht vereinbar war und damit mein Interesse weckte.
Damals hab ich diesen Satz so kommentiert, was auch den ersten Kontakt zu ihm herstellte: „Muss man Lateinkenntnisse besitzen, um mit dir in Kontakt zu kommen?“
Aus diesem ersten Satz wurden Sätze, Freude, Ausschließlichkeit, Begeisterung, stundenlange Telefonate, dann Videogespräche bis spät in die Nacht hinein, ein Wunder der Harmonie und des Gleichklangs, durch ähnliche Erfahrungen, die wir gemacht hatten und ähnlichen Wichtigkeiten ergab das Eine das Andere. Ein Treffen 10 Tage später war unvermeidlich – es gab einen Blick – diesen ersten, innigen, vertrauten, hoffnungsvollen, ein langsames Zugehen und die wohl innigste Umarmung an die ich mich erinnern kann.
Dieser Mann hatte mein Herz ganz, im Sturm der Coronazeit erobert, ich war sein von diesem ersten Augenblick an, ich genoss diese emotionale, gedankliche, körperliche Verschmelzung wochenlang, es war so wie schwimmen in einem warmen schimmernden See, eingemummelt in ein Meer an Liebe, ein Inhalieren und Aufsaugen dessen, was das Herz weit und frei macht. Ich sah einige Zeit vorher dass ein Mann kommen würde und mich im Sturm mitnehmen würde. Welch buntes Feuerwerk es in mir machen würde, erahnte ich nicht im Ansatz.
Aus Zeitgründen sahen wir uns viel – verbrachten in den kommenden Wochen und Monaten die Hälfte der Zeit gemeinsam, feierten eines meiner schönsten Osterfeste gemeinsam mit den Kids und ja – wir haben das Leben gelebt. Diese Intensität, die Freude und die Liebe haben sich wie ein Wolkenbruch über mich ergossen und meine Sekunden bunt eingefärbt. „Geht es zu schnell?“ Hab ich ihn da oft gefragt. Er hat mit großen Augen geantwortet „ Ja, was sollen wir denn machen?“ mit einem Ton in der Stimme, dass es wohl keine andere Möglichkeit gäbe, als der magnetischen Kraft unserer Herzen zu folgen, uns zeitlich und emotional ganz hinzugeben.
Wie war ich verliebt!
Heute sind diese 16 Wochen wie ein Höhenflug in meiner Zeit, wenig Bodenhaftung dafür wunderbar luftiger Weitblick. Dem Schmerz der Trennung folgte Dankbarkeit für diese wunderbare Zeit.
RES SEVERA VERUM GAUDIUM
Vielleicht verstehe ich diesen Leitsatz des Gewandhausorchesters irgendwann ganz – Ein Nein zu kopflos verliebt sein? – oh, nein, niemals will ich diese schwingenden Wochen meines Lebens missen – Gedanken daran werden mir wohl noch in meiner Todesstunde ein Lächeln auf die Lippen zaubern.
Glücklich die, die vollen Herzens geliebt.