Schurli, 56 Jahre, Pfarrer einer katholischen Gemeinde in der Großstadt, Lese- und Schreib-Freund mit wachen Sinnen (manchmal auch von Sinnen), verwurzelt im Geschenkten und offen für Zufälle (des Himmels)

Bedeutender Gegenstand in der Corona-Zeit

Hinaus ins Freie! Fast jeden Tag tragen sie mich: meine Wanderschuhe. Am Anfang der Corona-Epidemie wagte ich es nicht, sie nach dem Gehen wieder in der Wohnung abzustellen, da ich die Sorge hatte, frei schwebende Viren von draußen herein zu holen. Im TV wurde das nämlich von einem italienischen Arzt berichtet, dass er seine kontaminierte Kleidung nicht in den Wohnraum mitnahm.

Ja, meine Schuhe tragen mich große und kleine Runden. Sie funktionieren bei sonnigem, bedecktem und regnerischem Wetter. Sie sind weich und drücken nicht.
Rund um die Steinhofer Mauer, einem riesigen Freizeitparkt, bin ich mit ihnen spaziert.
Ich erinnere mich an ein Garten-Konzert einer Blues-Sängerin, die mit einem Gitarristen Jazz-Standards zum Besten gab – und ich war in meinen Boots Zaungast: „On a sunny side oft the street“.

Jetzt dürfen meine schwarzen Rauhleder-Turnschuhe der Marke Brooke schon längst im Vorzimmer parken. Nach jedem Auslauf werden sie mit Schuhstreckern gedehnt. Geputzt habe ich sie erst einmal.

Sie sind für mich die positive Seite von Corona: Symbol der Freiheit mitten in den Einschränkungen. Wenn die Schuhe erzählen könnten, dann würden sie von den verschiedensten Begegnungen berichten, die mir unterwegs geschenkt wurden. Sie würden schildern, wie oft sich ein Austausch über die bedrückende Situation ergeben hatte, aber auch von optimistischen Sichtweisen erzählen.

Manchmal mussten die Schuhe mit einer kurzen Runde vorliebnehmen, manchmal hatten sie ganz langen Auslauf, wenn es die Zeit erlaubte.

Die Schuhe sind so still und bereit, stehen immer bei Fuß, bleiben am Boden, sind demütig (im Sinn der lateinischen Humilitas) Sie begehren nicht auf, stehen zur Verfügung und lassen sich bewegen. Lauter tolle Eigenschaften!

Warum eigentlich muss man Schuhe auf Heiligem Boden ablegen? Diese Diener, diese bescheidenen Werkzeuge, diese schützenden Sohlen? Vielleicht, um dann selber so wie sie zu werden, direkten Kontakt mit der Erde, der Heiligen, zu haben?

Meine Wanderschuhe inspirieren mich, sie laden mich ein, aufzubrechen, über Schwellen zu gehen, die Freiheit zu wagen, nicht stecken zu bleiben in der Komfort-Zone der Wohnung. Sie laden ein zum Austausch, ohne zu drängen!

Sie wärmen, sie geben festen Halt. Ich liebe sie, meine Schuhe.
Ich will sie wieder putzen und dabei ein wenig nachdenken, was ich von ihnen lernen kann. Wie viele Dinge ich doch habe, die mir so treu und zuverlässig zur Verfügung stehen – wie sie? Ich bin sehr dankbar.

Meine
Meine Schuhe
Meine Schuhe sind
Meine Schuhe sind mir
Meine Schuhe sind mir täglich
Meine Schuhe sind mir täglich eine
Meine Schuhe sind mir täglich eine Einladung
Meine Schuhe sind mir täglich eine Einladung zur
Meine Schuhe sind mir täglich eine Einladung zur Freiheit.

Ich will in Bewegung bleiben, verschiedenen Standpunkte gelten lassen, da sein, wo ich gebraucht werde, neugierig neue Wege wagen, am Boden bleiben, tanzen und hüpfen.

Ja, einmal, da durften sie auch mit mir tanzen: ich hatte meine Bluetooth-Kopfhörer auf und hörte meine Lieblingsplaylist, die mich übermütig springen, jauchzen und tanzen ließ – in meinen Wander-Zuhör-Entdeck-Tanz-und Freiheits-Schuhen!