Yolanda, 55 Jahre, wohnhaft in Bayern, verheiratet, 4 Kinder – eines davon ein Kind mit Engelsflügeln

Ein Gegenstand, der für mich in der Coronazeit besondere Bedeutung gewonnen hat, sind…

…meine guten Turnschuhe.

Diese sehr teuren Turnschuhe führen seit gut 2 Jahren ein Museums-Dasein in meinem Schuhregal im dunklen Keller. Damals hatte ich den intensiven Wunsch und Vorsatz, von nun an regelmäßig mit diesen guten Turnschuhen zum Nordic Walken zu gehen, um zum einen meinen Kopf frei zu bekommen und zum anderen etwas für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden zu tun. Ich habe sie mir extra in einem speziellen Sportladen gekauft, dazu noch einen Gutschein eingesetzt, den ich von meinen Arbeitskollegen zum Geburtstag geschenkt bekam.

Und wie es halt meist so ist mit guten Vorsätzen….. Schätzungsweise kamen sie fünf mal eifrig zum Einsatz, dann wieder durch irgendein außertourliches Ereignis aus der Routine geworfen, landeten sie im Keller und waren nicht mehr beachtet. Wobei sie ja tatsächlich cool aussahen: weiß mit etwas pink und gelb-neonfarbenen Schuhbändern – man sah mich schon von der Weite!

Ab und zu kamen sie mir beim Vorbeigehen im Keller in den Sinn und damit auch immer der innere Kritiker, der mich an meine guten Vorsätze erinnerte. Aber trotz innerem Kritiker blieb es beim Vorsatz.

Und doch schlich sich Anfang des Jahres – diesmal ohne Vorsatz – eine neue Bewegung und mit ihr eine neue Routine in meinen Alltag.

Auslöser war, dass wir des öfteren den Hund meiner großen Tochter als Gasthund bei uns hatten und so begannen mein Mann und ich unsere abendlichen Runden zu drehen. Dass diese Runden nicht nur den Zweck des „Gassi-Gehens“ erfüllten, sondern auch für unsere Beziehung und den gegenseitigen Gedankenaustausch sehr fruchtbar waren, empfanden wir schnell als überaus positiv, zumal wir mit einem sehr, sehr schweren Schicksalsschlag zu kämpfen hatten.

Und dann meldeten sich eines Tages beim Gang durch den Keller wieder meine so guten Turnschuhe. Sie schrien mich förmlich an: „Wir wollen mit Dir gehen, Dich unterstützen, Deinen Beinen etwas Gutes tun, Deinen Beinen, die Dich durch jeden Tag tragen, die viel leisten, denen Du viel abverlangst, die Deinen oft steinigen Weg mit Dir gehen und vielleicht manchen Felsen, der Dir im Weg liegt, beiseite schieben….ja, wir wollen mit Dir Deinen Weg gehen.“

Von da an wusste ich, welchem Zweck meine guten Turnschuhe von nun an täglich dienen sollten. Die abendliche Routine des gemeinsamen Spaziergangs behielten wir tatsächlich bis heute bei und ich bin mir sicher, dass diese Routine auch in Zukunft fester Bestandteil unseres Alltags sein wird. Wie viele persönliche Gespräche und wertvoller Gedankenstoff wurden uns dadurch geschenkt. Ich habe erfahren, wie heilsam das Gehen sein kann. Die Gedanken kommen und gehen, neue Ideen und neue Pläne suchen ihren Platz…Situationen kommen zum Vorschein, die ich und wir bearbeiten und verarbeiten können. Beim Gehen entstehen interessante Gespräche, wie sie sich nebeneinander auf der Couch sitzend niemals entwickeln könnten.

Den Tag abends miteinander zu reflektieren empfinde ich als sehr wertvolles Geschenk.
Und was an einem Tag alles passieren kann? So viel und manchmal so wenig. Manchmal verändert ein Tag mein Leben für immer. Meine guten Turnschuhe führten mich durch dieses für mich sehr schwierige Jahr, sie halfen mir, meinen Weg mit meinem schweren Rucksack auf dem Rücken weiterzugehen, über Berge und Täler, nicht stehen zu bleiben, das Gefühl zu haben, manchmal getragen zu werden, weichen Grund unter mir zu haben, meine Gedanken zu ordnen, Ordnung in meiner inneren Wohnung zu schaffen, neue Räume in mir zu schaffen….und ich habe gelernt, DANKBARKEIT und DEMUT zu empfinden…..und dafür bin ich zutiefst DANKBAR!