…ich traue es mich fast nicht auszusprechen: mein Handy!
Nicht meine Laufschuhe, meine Yogamatte, das Klavier oder mein Tagebuch. Nein, es ist das Handy.
Ich, die meinen Mann ständig dazu ermahnt, er möge bitte seinen Handykonsum einschränken, weil erstens die Handystrahlen gefährlich sind und zweitens er einen schlechten Einfluss auf unseren 9jährigen Sohn ausübt, werde in Corona Zeiten selbst zum Handyjunkie.
Mein Handy als Verbindung zur Außenwelt und als unendlich sprudelnde Nachrichtenquelle, die mich 24 h lang 7 Tage die Woche mit Updates zur Lage der Nation und der ganzen Welt, versorgt.
In der Früh nach dem Aufstehen ist mein erster Griff zum Handy. Ich klicke auf orf.at, um mir gleich den Tag mit den neuesten Schreckensnachrichten zu vermiesen. Corona Infektionen steigen rasant/Regierung plant nächsten lock-down/Neue Corona Mutation in Brasilien aufgetaucht….
Die Schlagzeilen lassen mir einen Schauer über den Rücken laufen. Seit über einem Jahr wird über die Medien eine apokalyptische Stimmung verbreitet. Nostradamus hätte seine wahre Freude daran. Eine pessimistische Zukunftsprognose reiht sich an dich nächste. Handel, Gastronomie, Hotellerie – alles geschlossen. Kinder im Home schooling, Erwachsene im Home office. Depressionen, Angststörungen und Vereinsamung nehmen zu. Kein Wunder, wird doch das Handy zur unserem wichtigsten Lebensmittelpunkt. Und mit ihm die permanente Versorgung von angstmachenden Botschaften.
Ich sollte das Handy weglegen und solche Nachrichten nicht mehr lesen. Sie tun mir nicht gut. Sie schlagen mir aufs Gemüt. Ich merke selbst wie sich beim Lesen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung einstellen.
Wann hört das endlich auf?
Wann kehren wir zur Normalität zurück?
Trotzdem zieht es mich immer wieder zu meinem Handy. Ich klicke alle paar Minuten auf orf.at oder andere Nachrichtenportale um zu sehen, ob es schon wieder neue „breaking news“ gibt. Neue schlechte Nachrichten, die vielleicht noch schlimmer sind als die letzten.
Es ist wie ein Sog, wie eine Droge. Ich kann mich dem nicht entziehen.
Das Handy nur mal für einen Tag abgeschaltet lassen, das wünsche ich mir. Das geht natürlich nicht. Denn ich könnte ja so viel verpassen:
….einen Anruf meiner Eltern, die vielleicht Hilfe bräuchten.
….eine lebenswichtige Nachricht von der Lehrerin meines Sohnes. Wie zum Beispiel wann die nächste Gurgelstudie stattfindet oder welche Masken in der Schule getragen werden müssen.
….eine rege Diskussion der aufgebrachten Mütter in meiner Whats App Gruppe, die sich echauffieren, dass ihre Kinder mit Nasenbohrer Stäbchen gequält werden.
Ich wäre einen Tag vom Informationsfluss abgetrennt und könnte plötzlich bei den weltpolitischen Diskussionen mit Freunden nicht mehr mitreden.
Es wäre schrecklich ohne mein Handy. Denn was würde ich plötzlich mit der vielen, gewonnenen Zeit anfangen? Wie würde ich die Stille füllen, die da wäre, ohne ständiges Gebimmel das mir eine neue SMS oder Facebook Nachricht ankündigt. Worüber würde ich reden, wenn mein Hirn nicht mehr mit „breaking news“ gefüllt wäre?
Wäre das nicht wie Urlaub? Wie Balsam für die Seele? Wie ein ewig andauernder Spaziergang im Wald, ohne Handy und WLAN Empfang, wo alles leise ist und man doch soviel mehr hört. Wäre das nicht wunderbar?
Ein Gegenstand, der in der Corona Zeit für mich eine besondere Bedeutung gewonnen hat, ist leider mein Handy. Ich merke, dass ich das wieder ändern möchte. Nicht erst jetzt beim Schreiben, sondern schon länger fühle ich dieses Bedürfnis, wieder freier zu sein. Das Handy macht mich unfrei, denn es raubt mir wertvolle Lebenszeit. Ich könnte stattdessen ein Buch lesen, ein persönliches Gespräch führen, mit meinem Sohn kuscheln oder einfach nur in der Sonne sitzen und meditieren.
Das Handysurfen ist in der Corona Zeit zu einer blöden Gewohnheit geworden. Das Schöne an Gewohnheiten ist aber, dass ich sie auch wieder ändern kann.
Nicht morgen, nicht übermorgen, sondern gleich HEUTE.