Johanna, 74 Jahre alt, pensionierte Lehrerin für Deutsch und Französisch, 40 Jahre lang verheiratet, seit kurzem allein lebend in München, hat eine wunderbare Tochter, die aber weiter weg wohnt. War immer sehr neugierig, lebenslustig, gesellig. Liebt ihre Freunde, Theater, Bücher, Musik und Bildhauerei. Corona legt sich wie Mehltau über ihr und unser aller Leben.

Ein Gegenstand, der in der Corona-Zeit für mich besondere Bedeutung gewonnen hat, ist…

…rechteckig, hat eine glatte, glänzende Oberfläche und es gibt ihn in drei Ausführungen, von handlich im Hosentaschenformat, flach und zusammenklappbar auf meinem Schreibtisch und groß und gut einzusehen gegenüber meinem Lieblingssessel im Wohnzimmer. Ich sage ein Gegenstand, obwohl es genau genommen drei sind: mein Handy, mein Laptop und mein Fernseher.

Ich sage ein Gegenstand, denn in ihrem Innenleben befindet sich immer eine Art PC, also zumindest in Varianten. Dieselbe Technik, so genau kenne ich mich da nicht aus.

Da ich seit Beginn der Corona- Zeit wegen des Todes meines Mannes ganz allein lebe und auch nicht mehr berufstätig bin, ist dieses Dreigestirn mein Fenster zur Welt. Und da geht es mir wie vielen.

Mein Handy dient mir in erster Linie dazu, kurze Nachrichten mit meiner Tochter auszutauschen, die leider weit weg wohnt. Oder auch lange, meist nächtliche Gespräche, in denen wir auch manchmal richtige Diskussionen führen. Das mache ich sonst natürlich nicht alleine, obwohl ich nach wie vor viel mit meinem verstorbenen Mann spreche. Oder ich rede mit verteilten Rollen. Ist komisch, aber nicht zu ändern, wenn sonst niemand anwesend ist. Allerdings beschränken sich solche Gespräche mehr auf Alltagsdinge. Und natürlich kann ich mit diesem Gerät den Kontakt zu meinen Freunden halten, mich auch zum Spazierengehen verabreden, einladen darf ich sie ja nicht.

Mein Laptop ist mir zum Ersatz für vieles geworden, zum Austausch mit anderen, wie hier bei unserem Schreibprojekt. Aber er hilft mir auch, geistiges Futter von außen zu bekommen. Sicher sind da Bücher vielleicht noch wesentlicher. Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Aber wichtig in der Gegenwart für mich ist ja, meine Einsamkeit zu durchbrechen. Und Lesen ist naturgemäß eine einsame Angelegenheit.

Mein Kalender hat sich wieder gefüllt. Ich habe viele Dates mit der Pinakothek in München, die zahlreiche Angebote zu Bildbetrachtungen und sogar Workshops hat. Auch da gibt es ein Gegenüber durch die Chats. Mein Mann hat mir eine umfangreiche Aquarellausrüstung hinterlassen, die mich motiviert hat, es mit dem Malen selbst zu versuchen. Also habe ich mich zu einem Kurs angemeldet, der gerade zweimal stattgefunden hat. Jetzt mache ich halt autodidaktisch mit den verschiedensten YouTube-Angeboten weiter.

Ich bin ein Theaterfreak, habe früher auch selbst gespielt, aber meine drei Abos für Theater, Konzert und Oper sind im Corona-Schlaf. Und da hilft der Fernseher.

An ihm hängt seit Corona ein HD-Kabel. Und jetzt hole ich mir halt Theater-, Konzert- und Opernaufführungen ins Wohnzimmer. Meist funktioniert sogar die Technik und es gibt Aufführungen, bei denen die Mimik der SchauspielerInnen besonders wichtig, da die Inszenierung statisch ist. Da ist der Bildschirm bei guter Kameraführung sogar von Vorteil. Im wirklichen Leben bin ich nie so weit vorne gesessen, dass ich die Gesichter der SchauspielerInnen so gut hätte sehen können.

Im Frühling gibt es wieder mehr Kontakt zum echten Leben. Wenn die Gartenarbeit ruft. Aber verreisen werde ich in absehbarer Zeit auch nur mit Arte oder 3 Sat. Nach zwei wirklichen Afrikareisen in einem früheren Leben war ich mittlerweile schon wieder viermal virtuell dort. Und nachdem es in den Mediatheken genug Auswahl gibt, kann ich sogar selbst entscheiden, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit ich verreise. Ohne Corona und zum Nulltarif.