Jana, 59 J., verheiratet, 3 erw. Kinder, 5 Enkel, selbständig (LSB, TCM) / EPU, Erwachsenenbildnerin, Musikerin, wohnhaft in einer Bezirkshauptstadt im Salzkammergut

Ein Gegenstand, der in der Corona-Zeit für mich eine besondere Bedeutung gewonnen hat, ist…

…meine Tuba.

Meine Tuba begleitet mich seit zwei Jahren. Ich habe mich damals mit knapp 57 Jahren entschlossen, als Musikerin nochmal ein neues Instrument in Angriff zu nehmen. Ich nehme regelmäßig einmal pro Woche Unterricht und habe eine riesige Freude daran. Meine Motivation zu üben, ist groß. Ich habe relativ schnell den Sprung in eine Musikkapelle gewagt. Mein Lehrer schickte mich zu Workshops. Ich nützte jede Gelegenheit, die mir in meinen Alltag passte, zu musizieren.

Und dann kam Corona. Das war eine große Umstellung für mich. Es war für mich, als wäre ich aus dem Nest gefallen. Mein Unterricht fiel dem Lockdown zum Opfer. Ich hatte plötzlich keine Proben mehr und meine Tuba und ich waren plötzlich alleine daheim. Puuhh, ich hatte doch gerade erst Feuer gefangen. Wie sollte denn das jetzt gehen? So viel Erfahrung hatte ich mit diesem Instrument noch nicht, dass ich mir zutraute, alleine sinnvoll weiter zu üben. Und so machte ich es mir zur Gewohnheit, täglich zumindest einmal meine Tuba zur Hand zu nehmen und lange Töne zu spielen. Einfach lange Töne, sonst nichts.

Nun muss man wissen, dass die Tuba ein Blasinstrument ist, das eine mächtig große Luftsäule hat. Und es ist eine Herausforderung, diese Luftsäule so zum Schwingen zu bringen, dass es keinen großen Kraftaufwand braucht. Es braucht einfach das nötige Gespür, um die Schwingung in sich nicht zu behindern. So entstehen schöne Töne.

Ich spielte also mit meiner Luft und der Luftsäule, bis es mir gelang, einfach diese Schwingung zu nutzen und daraus schöne Töne entstehen zu lassen. Das war eine große Herausforderung. Doch die machte mir Spaß. Als dann in unserer Landesmusikschule nach einer Weile auch endlich wieder eine Möglichkeit geschaffen wurde, dass mein Unterricht online weitergeführt wurde, war das für mich ein großes Geschenk. Das war in einer Zeit, als alles geschlossen war, meine Praxis mit einem Betretungsverbot belegt war, das Leben einen gewissen Stillstand erfuhr. Die Nachrichten überboten sich mit immer noch furchterregenderen und angstmachenderen Berichten aus aller Welt über Corona.

Ich hatte plötzlich Unmengen an Zeit und die widmete ich meine Tuba. Ich entwickelte eine richtig meditative Freude, so dass ich mir bald vorkam, als wäre ich in eine andere Welt abgetaucht. Eine Welt der immer wohlklingenden Töne, der Freude und der Motivation, meiner Tuba immer tiefere und noch tiefere Töne zu entlocken. Das ist nämlich gar nicht einfach. Das braucht ein gutes Gespür, viel Übung und eine gewisse innere Gelöstheit. Und – was noch dazu kam – diese tiefen Töne nährten in mir eine innere Zufriedenheit und Ruhe. Es war, als würden sie mein seelisches Fundament nähern.

Dann kam der November. Und – wo auch immer – ich weiß es bis heute nicht: ich infizierte mich an Corona. Ich wurde richtig schwer krank. Ich verlor meinen Geruchssinn, ich hatte Fieber, war schlapp, abgeschlagen, hustete, bekam Schnupfen und hatte entsetzliche Nervenschmerzen. Mich hatte es richtig erwischt. Meine Lunge tat weh, als hätten sich Kletten mit ihren Widerhaken darin verfangen und jemand versuchte, sie heraus zu reißen.

Meine Tuba musste Pause machen. Da ging erst mal gar nichts. Ich hatte Angst, dass ich meine Lunge noch mehr beschädigen würde, wenn ich üben würde. Aber was für mich ganz wertvoll war: die Art und Weise, meinen Atem zu halten, die ich mir durch das Tuba-üben antrainiert hatte, kam mir in meiner Corona Erkrankung zugute. Ich hatte ganz oft das Gefühl, dass ich bei der geringsten Anstrengung nicht genug Luft bekommen würde. Es wurde eng und ich hatte Schmerzen im Brustkorb. Doch ich schaffte es, die Atemtechnik von der Tuba auf meine gewöhnliche Atmung zu übertragen und das half mir, dass der Brustkorb wieder weiter wurde. Mich hatte meine Tuba einfach stark gemacht und gleichzeitig hatte ich gelernt, eine gewisse Entspannung, die ich beim Spiel der ganz tiefen Töne brauchte, auf meinen Brustkorb zu übertragen. Das war sehr, sehr hilfreich.

Ich sagte oft in dieser Zeit zu meinem Mann: ich bin so froh, dass ich kein Mensch bin, die zur Panik neigt. Und, dass ich diese Entspannungs- und Atemtechnik gelernt habe. Ich glaube, wenn ich das nicht könnte, würde ich die Krise bekommen. Oft und oft hatte ich das Gefühl, es wird eng und ich bekomme zu wenig Luft. Doch dann stellte ich mir wieder die Schwingung meiner riesengroßen Luftsäule der Tuba vor und das wirkte Wunder. Der Brustkorb machte wieder auf.

Nach über zwei Wochen der Erkrankung wurde ich im Dezember aufgrund von Tests wieder gesundgeschrieben. Inzwischen weiß ich, dass ich auch ausreichend Antikörper gebildet habe. Mein Brustkorb macht immer noch bei kleinen Anstrengungen zu. Doch dann „beame“ ich mich jedes Mal in die große Luftsäule meiner Tuba hinein und dann geht es wieder.

Ich habe längst nicht so viel Arbeit wie vor der Corona Zeit. Viele meiner Klienten und Klientinnen sind ausgeblieben. Entweder trauen sie sich nicht zu kommen oder sie können sich auch die Behandlungen nicht mehr leisten. Ich habe das Gefühl, dass dieses Thema „systemrelevant oder nicht“ Menschen in ihrem Verhalten verändert hat. Ich habe Unmengen an Zeit, die ich vor Corona entweder in meiner Praxis oder in diversen Ensembles und Proben verbracht habe. Die verbringe ich nun daheim. Ich habe kaum Lust zum Fernsehen und wenn nicht mein Mann und ich die Zeit für gemeinsame Aktivitäten nützen, dann widme ich mich meiner Tuba. Sie nährt mich, sie stärkt mich, macht mich glücklich und sie fördert meine Ausgeglichenheit und mein seelisches Fundament.

Ich weiß jetzt schon, wenn dieser ganze „Corona-Zauber“ wieder einmal vorbei ist, sitze ich in einem Ensemble und spiele, was das Zeug hält. Dafür übe ich. Und darauf freue ich mich!