Moana, 56, schwäbisches Nordlicht mit großer Liebe zum Meer, lebt mit ihrem Sohn in Hamburg

Ein Gegenstand, der in der Coronazeit für mich besondere Bedeutung gewonnen hat

Meine Kamera ist immer schon eine liebe Begleitung auf Spaziergängen oder Streifzügen durch meinen Kiez. Seit Corona hat sich eine richtig intensive Beziehung entwickelt. Sie ist mir Inspirationsquelle und Sehhilfe gleichermaßen. Ich habe sofort damit begonnen, meine ganz persönliche Coronadokumentation zu starten und jede mir vor Augen kommende Veränderung, ungewöhnliche Erscheinung, coronabedingte Neuerung einzufangen. Das hat meinen Blick und meine Aufmerksamkeit verändert. Auch wenn ich die Kamera nicht dabei habe, gehe ich anders durch die Welt, irgendwie wacher, präsenter. Mir sticht viel mehr ins Auge, indirekt wurde meine Wahrnehmung geschult, verfeinert, achtsamer – auch für Dinge, die sich nicht unbedingt auf Augenhöhe befinden. Das Makro-Objektiv, mein Sommergeschenk an mich selbst, bescherte mir Einblicke in wunderbare Details der Natur, ließ mich eintauchen in ihre unsagbar schönen Kunstwerke. Wie oft bin ich ahnungslos an ihnen vorbeigegangen? Nahm mir nicht die Zeit, innezuhalten und genau hinzuschauen.

Dank der Kamera, entdeckte ich die zarten Farbkompositionen im Innern von Stockrosen mit ihrem Stempel, auf dem ein filigranes Krönchen prangt. Einzigartig – jede Blüte etwas Besonderes, nie Dagewesenes. Ich spürte, wie ein Wesen mir seine Schönheit offenbarte, und durfte sie festhalten und mit dieser Entdeckung wieder andere Menschen erfreuen.

Es ist viel mehr als nur Spaß oder Vergnügen, mich mit meiner Kamera auf den Weg zu machen, es ist berührend für mich, ich vergesse die Zeit und tauche ein in eine andere Welt. Fotografieren wird zur Herzensangelegenheit und öffnet einen Raum, in dem Corona wie weggeblasen ist, zur Nebensächlichkeit verkommt. Es gibt nur noch die Kamera, mich und den kreativen Akt, das Wahrgenommene oder Entdeckte und das für mich Wesentliche daran in ein Bild zu übersetzen.

Und weil das Herz die Verbindung schafft, fließt es auch ins Bild mit ein und kann erneut berühren. Was mich berührt hat, wird Teil des Fotos. Ein schöner Gedanke. So kann ich den Moment der Berührung durch das Bild wiederbeleben. Das ist wohltuend für meinen Geist, weil Ruhe einkehrt und es so offensichtlich ist, dass die Schönheit einer Blüte oder eines Wassertropfens, die Äderchen eines Blattes, das Farbspiel am Himmel nach dem Gewitter nichts bezwecken, keine verborgene Absicht hegen. Sie verströmen ihre Schönheit und ihr Seelenstreicheln einfach so, ohne Erwartung. Ich darf genießen und mich beschenkt fühlen.

So intensiv und vor allem so regelmäßig hätte ich das ohne Corona vermutlich nicht erlebt.

Ich empfinde dieses staunende Entdecken auch als eine Art Innenschau. Ich merke, wenn ich innehalte und staune, zeigt sich so viel Unerwartetes, Schönes, so harmonisch Komponiertes, dass ich mich eingeladen fühle, mit diesem Blick mich selbst zu erkunden. Das fange ich zwar nicht mit der Kamera ein, aber wer weiß, vielleicht experimentiere ich irgendwann mit den kleinen, feinen Details, die sich nur beim genauen Hinsehen offenbaren und setze sie in eine neue Form von Selbstporträt um.

Experimentieren ist eine der schönsten Einladungen meiner Kamera. Besonders zu Hause, wenn das Wetter schlecht ist oder es viel zu kalt ist, um rauszugehen, vergnüge ich mich mit Home-Art mit Blumen und Muscheln. Ganz nebenbei entdeckte ich so auch die Schönheit und Anmut des Vergänglichen.

Und ich muss gestehen, aus einer fotografischen Perspektive finde ich dieses Virus auch sehr schön.

Ich bewege mich achtsamer und aufmerksamer durch die Welt und entdecke an vielen Stellen Spuren, die andere Menschen hinterlassen haben: ein kleiner Aufkleber an der Regenrinne „I believe in a hug“ oder ein alter Frühstücksteller mit der Aufschrift „Stay gold!“ an einer Hauswand. Großartig. Viel davon ist durch und während Corona entstanden, und ich freue mich, dass ich es entdeckt habe.

Schon wieder etwas, wofür ich Corona dankbar bin.