Ella, 45, verheiratet, Mutter von 4 Kindern, von denen 3 in die Schule gehen, wohnhaft in einem kleinen Dorf in Vorarlberg, ist in Begriff sich selbständig zu machen, wäre also genau jetzt, nach 13 Jahren Kinderzeit, endlich wieder in die Berufstätigkeit gekommen…

Ein Gegenstand, der in der Coronazeit für mich besondere Bedeutung gewonnen hat, ist…

mein Smartphone. Es war eigentlich ganz klar, dass es mein Handy ist, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Es passt nicht in mein Selbstbild. Ich sehe mich doch gerne als sinnliche Person, als Mensch, der gerne riecht und schmeckt, fühlt und hört und sich wahrnimmt in Körper und Raum. Und jetzt drängt sich da das Smartphone auf und ich bringe es nicht mehr weg.

Was ist es denn? Was macht es aus? Was tue ich eigentlich damit? Im ersten Lockdown war es so wichtig für mich, weil es eine Kamera hat. Ich war wild entschlossen, diese Zeit zu etwas Besonderem für mich und meine Familie zu machen. Ich habe sie gerne um mich. Es sind eindeutig meine Lieblingsmenschen und ich fühlte mich berufen, ihnen diese Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Ich war gefordert als Mutter und auch als Lehrerin. Überraschenderweise konnte ich sie noch gut, die Rolle der Lehrerin. Und weil mir das alles so Freude bereitete, begleitete mich das Handy vorwiegend in seiner Funktion als Fotoapparat.

Die Bilder wurden schön: Kinder in den unmöglichsten Positionen beim Lernen, in den Pausen im Garten, der gerade wieder ins Leben kam. Bilder von Bastel- und Bauprojekten, von teigverklebten Kinderhänden in der Küche. Allesamt viel zu schön, um im Archiv zu verstauben und ich begann sie zu teilen mit einer Freundin – natürlich per WhatsApp. Und schon wieder rang mir das Handy Minuten ab.

Auch wenn ich mit der Zeit schneller wurde, so verbrachte ich doch viel Zeit beim Tippen der Kommentare zu den Bildern. Dass dabei ein wunderbarer Austausch entstand, wurde mir erst später klar. Es war nicht nur der Austausch von Alltagsbildern. Es war ein Bewusstwerdungs- und Reflexionsprozess dieser Zeit. Jeden Tag wieder aufs Neue und mein Handy somit Zeuge und Speicherort, Werkzeug und Transportkanal unseres Familienlebens im ersten Lockdown.

Durch das Smartphone baute sich ein Raum auf, ein heilsamer Raum, wie wir beide im Nachhinein feststellten. Ein Heiliger Raum. Nie im Leben hätte ich mir das zuvor ersonnen, dass das mit diesem Apparat möglich sein kann, dass ich das durch diesen Apparat so erlebe.

Süchtig danach, immer wieder diesen heiligen Raum zu betreten, ihn zu gestalten, zu befüllen und auszukosten, wurde das Handy zum ständigen Begleiter. Es könnte ja jede Minute eine Nachricht kommen. Es könnte ja jeden Augenblick sich ein Bild ergeben, das ich mit der Kamerafunktion festhalten und dann später mit meinem Kommentar versehen weitergeben wollte.

Plötzlich kommt großes Verständnis auf für die Jugendlichen, die ihr Smartphone ständig bei sich haben müssen. Ja, das schließe ich ein Stück weit Frieden mit der Digitalisierung. Ich versöhne mich allein für dieses wertvolle Speichermedium-Dasein mit meinem Handy. Dabei habe ich noch gar nicht darüber geschrieben, dass es mir auch die wunderbaren Lieder zum Tanzen spielt, die ich von einer anderen Freundin gesendet bekommen habe. Und noch gar nicht davon, dass es so schnell Antworten liefert auf Fragen, die spontan entstehen, und mich die Stimme meiner Freundin hören lässt, die eigentlich gar nicht weit weg wohnen würde …

Ja, ich habe dich schätzen gelernt.“, möchte ich direkt zu ihm sagen. „Du machst mir meinen Reichtum spürbar.“