„Corona ist nicht mehr als eine leichte bis mittelschwere Grippe…“
„Corona kann dich töten – in deinem Alter auf jeden Fall…“
„Corona ist das Virus, Covid 19 -Corona virus desease- ist die Krankheit. Pass nur auf! Damit landest du mit deiner Sarkoidose (=Autoimmunkrankheit der Lunge) möglicherweise auf der Intensivstation, wenn es dich erwischt ….“
„Jaja, redet nur!“, dachte ich, nachdem ich die von allen Seiten einströmenden Informationen und Ratschläge mit freundlichem Lächeln zur Kenntnis genommen hatte. Und ich schottete mich noch mehr ab, was im Lock down durchaus legitim war. Nur von den Über-drüber-Sorgen meiner Kinder konnte ich mich nicht ausreichend schützen.
Irgendwann meldete sich in und aus mir ein mantrenartiger „Ohrwurm“ und wollte nicht mehr verstummen: Ich werd‘ nicht krank! Ich nicht! Von diesem „Angebot“ mache ich keinen Gebrauch! Nein, danke!
Ich baute auf mein Immunsystem. Schließlich bin ich weder übergewichtig, noch ein Bewegungsmuffel; genau das Gegenteil ist der Fall. Seit Jahren ernähre ich mich fleischlos, braue ich mir meine Kräutermedizin – Tropfen und gehe regelmäßig in die Sauna. Fast immer komme ich mit homöopathischen Globuli, Schüßler Salzen, Lindenblüten- und Holundertee und einer Infrarot-Sitzung einer drohenden Infektion zuvor bzw. mit ihr zurecht.
„Hochmut kommt vor dem Fall“…
Eines sonnigen Oktobermorgens ließen mich dröhnende Kopfschmerzen und ein bellender, stechender Husten nicht aus dem Bett. Kein Fieber; das ist bei mir immer so, wenn ich „grippig“ bin. Gegen Mittag zwang ich mich, etwas zu kochen. Doch als das schnelle Gericht auf dem Tisch stand, fiel ich wieder ins Bett. Kochen oder essen; beides ging nicht, auch die nächsten zehn Tage nicht.
In den Garten gehen, Kräuter schneiden. Aus. Hinsetzen und rasten auf der Sonnenbank. Dann zurück ins Haus. Oder: Die Waschmaschine befüllen. Aus. Auf der ersten der 20 Treppenstufen niedersinken und rasten. Dann die Treppe hochsteigen -in vier Etappen- und hinlegen. …
Der Husten war nach zwei Tagen gezähmt, nicht aber das Kopfweh. Nachts taten alle Zähne weh. Ja, alle Zähne auf einmal. Schlafen??
„Heute pflanze ich das Kirschbäumchen in den Garten, das noch im Topf herumsteht“, sagte ich am vierten Tag zu meinem Mann, der inzwischen auch mit den gleichen Symptomen im Bett lag. „Ich bin wieder fit.“ Doch bereits als ich den Spaten zum dritten Mal in die Erde drücken wollte, spürte ich Schweiß auf Stirn und Rücken ausbrechen; das wars dann gewesen mit dem Fit-Sein.
Im Bett liegen und auf die Decke starren. Keine Lust, keine Energie, das zu tun, wozu ohnehin immer zu wenig Zeit war: Lesen, Musik oder Podcasts hören, in der TV-Thek stöbern… Im Bett liegen und auf die Decke starren und mich der Gedankenflut ausliefern müssen. Was das für Gedanken waren! Hoffentlich kommt kein Fieber dazu! Oder Atemnot; dann müsste ich bestimmt ins Krankenhaus… Wo habe ich mich bloß infiziert? Habe ich zu wenig aufgepasst?… Ich war doch noch bei meinen Enkelkindern einen Tag, bevor ich krank wurde; habe ich die Familie womöglich angesteckt? …Vielleicht wurden wir ja doch falsch positiv getestet; schließlich haben wir beide, mein Mann und ich, kein Problem mit Riechen und Schmecken … Wird die Sperre beim Tief-durchatmen-Wollen wieder ganz verschwinden? …
Covid 19 hat mir einen milden Verlauf beschert. Nach 14 Tagen permanentem Wechselbad zwischen totaler Erschöpfung und jähem Aufwärtstrend schaffte ich es am Stück, die 40 Meter am Gartenzaun entlang und wieder zurück zu gehen. Es kam kein Fieber, auch von Atemnot blieb ich verschont. Mein Mann hatte das gleiche Glück.
Nach fünf Monaten schauen wir dankbar zurück. Dankbar, dass wir so glimpflich davongekommen sind. Dankbar auch -und das mag vielleicht befremdlich anmuten – dass wir Covid 19 durchgemacht haben. Nicht nur wegen der Antikörper, mit denen wir jetzt einige Monate versorgt sind. Dankbar sind wir vor allem für den gemeinsamen Weg durch diese fremde und unberechenbare Krankheit. Diese Erfahrung hat eine Nähe zwischen uns sichtbar gemacht, die wir in den 40 Ehejahren noch nie in dieser Qualität erlebt haben. Die Antikörper werden in absehbarer Zeit versiegen. Unsere neuen Augen füreinander werden weiter glänzen.