Meine Freundin Karin hat am 7. März Geburtstag. So es irgendwie möglich ist, fährt sie in dieser Zeit mit ihrer Familie zum Skifahren nach Corvara in Südtirol. So war es auch für 2020 geplant. Dieses Mal würden ihr Mann Tobias und ihre Tochter Adele sowie ihre Freundin mit Mann dabei sein. Da die Strecke von Berlin nach Norditalien ziemlich weit ist, machen sie immer etwa auf halber Strecke Station und übernachten. So auch im letzten Jahr.
Wenige Tage vorher waren die ersten Corona-Fälle in Deutschland und Österreich bekannt geworden. Karin hatte die Fallzahlen für ihre Urlaubsgegend kontrolliert. Es waren vier und daher entschieden sie, dass das Risiko gering sei und fuhren in Berlin los. An dem Morgen, an dem sie in Bayern ihre Fahrt fortsetzen wollten, wurde Südtirol zum Risikogebiet erklärt. Die fünf berieten sich kurz und entschieden, wie geplant, nach Corvara zu fahren.
Die Fotos, die Karin mir aus ihrer Urlaubswoche schickte, waren atemberaubend. Beste Schneeverhältnisse und so gut wie keine Touristen. Die Sonne schien und der Himmel war blitzeblau. Im Lauf der Woche wurden die täglichen Nachrichten immer besorgniserregender. Als man sich entschloss, die Skilifte einzustellen sowie Hotels und Gaststätten zu schließen, war klar, dass meine Freundin und ihre Familie abreisen würden. Da sogar die Schließung der deutsch-österreichischen Grenze drohte, fuhren sie am ersten Tag durch bis nach Bayern und übernachteten dort. Allen ging es prima. Sie hatten ihre Woche im Schnee tatsächlich genießen können, wenn auch nicht ganz so ungetrübt wie gehofft.
Am nächsten Tag reisten sie nach Berlin weiter. Schon da kamen die ersten Hals- und Kopfschmerzen. Einen Tag später ließen die fünf sich testen, vier von ihnen hatten Corona!!! Der fünfte positive Test folgte erst eine Woche später. Das Gesundheitsamt verordnete eine zweiwöchige Quarantäne, also saßen Karin und ihr Mann in ihrem Haus fest. Ihre Nachbarn versorgten sie mit Lebensmitteln. Alle aus der Gruppe hatten zum Glück einen milden Verlauf. Während Tobias eher grippeähnliche Symptome hatte (Kopf- und Gliederschmerzen), waren bei Karin Geruchs- und Geschmackssinn beeinträchtigt. Dies hielt mehrere Monate an.
Anfangs hatte es noch geheißen, am Ende der Quarantäne würden sie vom Gesundheitsamt „gesund getestet“, aber inzwischen waren die Fallzahlen so gestiegen, dass die Behörden heillos überlastet waren. Als die 14 Tage vorbei waren, gab es lediglich einen Kontrollanruf vom Gesundheitsamt, bei dem bestimmte Symptome abgefragt wurden. Als sie die wichtigsten negieren konnten, wurde erklärt, ihre Quarantäne sei nun aufgehoben. Die beiden fragten noch, ob sie vielleicht eine Bescheinigung bekommen könnten, dass sie bereits Corona gehabt hätten, nun aber gesundet seien. Dies wurde abgelehnt.
Ich habe in den 14 Tagen von Karins Quarantäne mehrfach mit ihr telefoniert und ich gestehe, ich hatte auch die Fantasie, sie zu besuchen und mich bewusst bei ihr anzustecken. Ich bin Hochrisikopatientin, bin 62 Jahre alt, hatte zwei onkologische Erkrankungen und habe Bluthochdruck und schweres Asthma. Natürlich hätte ich auf einen milden Verlauf ähnlich wie bei meiner Freundin gehofft. Aber damals waren die Fallzahlen noch so, dass ich ein Bett auf der Intensivstation hätte bekommen können, wenn ich doch sehr viel schwerer erkrankt wäre. Dass ich vielleicht aber sogar an Corona würde sterben können, habe ich damals erst mal ausgeblendet. Aber unbewusst war mir das sehr klar und deshalb habe ich auch meine Fantasie schnellstens wieder beiseite gelegt und mich seither mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln vor einer Ansteckung geschützt.