Auguste, 69, alleinstehend, lebt am Rande einer süddeutschen Kleinstadt

Was noch alles kommen kann

Vor ganz genau einem Jahr, als Corona noch als grippeähnlicher Infekt galt, hatte ich spätabends ein langes Gespräch mit meiner Tochter. Da war ich noch der Meinung, dass wir durchaus damit rechnen sollten an Corona zu erkranken. Aber vielleicht lieber nicht alle auf einmal. Ich war auch der Meinung, dass ich das auf meinem Sofa überleben würde wie andere Krankheiten auch.

Als dann die schrecklichen Bilder aus Bergamo in den Nachrichten auftauchten, war ich zutiefst schockiert. Nein, so etwas wollte ich nicht haben. Die entsprechenden Regeln einzuhalten, die mich schützen sollten, fiel mir nicht schwer. Ich bin der privilegierten Lage nicht mehr arbeiten zu müssen und lebe in einer angenehmen Umgebung. Innerhalb der Familie hatten wir von Anfang an beschlossen uns als Großfamilie zu betrachten und lieber weitere Außenkontakte zu reduzieren.

Dann erreichte mich eine Rundmail. Jemand hatte seinen ausführlichen Krankheitsbericht an Freunde und Bekannte verschickt. Von Fachleuten würde dieser Krankheitsverlauf vermutlich als nicht allzu schwer eingestuft werden. Doch für mich hörte sich das entsetzlich an. Auf gar keinen Fall wollte ich mehrere Wochen in diesem Zustand verbringen. Diese Krankheit wollte ich ganz bestimmt nicht bekommen und schon gar nicht daran sterben.

Dann die Nachricht einer etwas entfernt lebenden Freundin. Sie sei erkrankt, es gehe ihr schlecht. Sie wolle nur noch schlafen. Ich erfahre von Menschen aus meiner Umgebung, dass auch sie in ihrem Verwandten – und Bekanntenkreis zunehmend Erkrankte, sogar Verstorbene haben. Die Krankheit rückt immer näher.

Eines Tages bekam ich eine WhatsApp-Nachricht meiner Tochter. Der Inhalt war lediglich ein Link auf einen Anhang zur Patientenverfügung. Darin konnte man erklären, dass man im Falle einer Corona -Erkrankung nicht beatmet werden wollte. Ich konnte es kaum glauben, war das ernst gemeint ?

Ich habe von dieser Erklärung keinen Gebrauch gemacht. Ich will Corona nicht bekommen und auch nicht daran sterben. Sollte es dennoch so kommen, müsste ich es als mein Schicksal akzeptieren. Schließlich habe ich ein gutes und ausgefülltes Leben gelebt.

Aber ich merke, wie sehr ich noch am Leben hänge, wie ich noch neugierig bin auf das, was noch alles kommen kann.