Elfriede, 58 Jahre, Mutter/Witwe, 4 erwachsene Kinder , Großstadt, Coachin

Betriffst DU mich? DU Corona?

Ja und Nein – in mir drinnen habe ich DIR keinen Platz eingeräumt. DU durftest weder als Krankheit meine Körperzellen überrennen, noch gab es für DICH einen Platz in meiner Seele. Das sind für DICH geschlossene Gesellschaften.

Im Außen da sehe ich DICH und oh ja, DU schränkst mich ein. Ich bin schon immer so eine gewesen, die es gerne ganz nah hat. Umarmungen, ankuscheln – viele Lieblingsmenschen auf einer Couch.

Heute war ein Frühlingstag und als ich endlich nach der Arbeit noch raus konnte, hatte ich keinen Gedanken an DICH, weil das, was ich seit Monaten noch intensiver da draußen erlebe, hat nichts mit DIR zu tun. Nein! Vergiss es! Auch wenn DU, einem unsichtbaren Nebel gleich, fast alles bedeckst. Genau da draußen nicht! Im Gegenteil! Noch nie war der Himmel so klar. Die Flugzeuge stehen am Boden. Der Luftraum darf wieder ein Ganzes sein. Nicht, wie von Wahnsinnigen zerschnitten, kein einziger Kondensstreifen am Himmel.

Reisen!?
Ist das für mich wichtig?

Das Meer fehlt mir. Ja, es fehlt mir sehr. Ich koste ganz vorsichtig meine Sehnsucht und sie ist so liebevoll mit mir. Bringt mir Erinnerungen und da spüre ich sie – die Wellen – oh, wie schön ist das. Wuhwischschsch wuhwischschsch, wuhwischschsch.

Reisen!?

Es war nie ein Thema in meine Heimat zu reisen. Von einem demokratischen Staat in den anderen. Früher war das trotzdem manches mal ein bißerl aufregend. Also ‚harmlos‘ schauen. Wieso ist das so automatisch – dieses Gefühl, wenn ich mit einem uniformierten Menschen zu tun habe? Sofort läuft diese Checkliste ab: ‚Mach ich wohl alles richtig?‘

Anfang September 2020 war ich zum letzten Mal bei meinem Papa in meiner Heimat. Danach ging es nicht mehr. Reisebeschränkungen zuerst in einem Land und dann in dem anderen. Papa macht das großartig. Sein 89. Geburtstag findet ohne uns statt. Jetzt betrifft mich Corona. Jetzt ist es gemein.

Uns vergeht die Lust daran, uns an die Regeln zu halten und doch machen wir es. So ziemlich halt. Papa ist 1931 geboren. Er hat den 2. Weltkrieg miterlebt. Gott sei Dank jedoch nicht als Soldat. Die Flucht aus der Steiermark nach Kärnten schildert er eher als Abenteuer. Sie waren viele. Ein Wagen an dem anderen. Wie war das mit dem kollektiven Leid? Dieses ist besser zu ertragen, sagt die Psychologie. Was werden wir in 5, 10, 15, 20 oder noch mehr Jahren zu diesem Krieg jetzt sagen – wird die Menschlichkeit siegen?

Und jetzt? Kollektives Leid in Einzelhaft!

Verflixt noch mal! Ich möchte zu meinem Papa. Nur wäge ich ab – könnte ich damit leben, wenn ich es wäre, die ihn mit diesem Zeugs ansteckt? Es wäre der Horror für mich! ‚Papa, gel – du passt gut auf und außerdem ist eines schon mal klar. Jetzt erst recht! Wir wollen noch viele gute Zeiten miteinander haben.‘

Sauna – Zauberwort!

Oh ja – die vermisse ich total. Bei mir in der Nähe gibt es eine richtig tolle Saunalandschaft. Mehrere Saunen und einen Naturschwimmteich, der immer sehr frisch ist. Herrlich – da ist mein Körper aufgeheizt, dieses innerliche ‚kochen‘ und die Haut, die fast verglüht. Aufguss – oh Herr, sei gnädig – ist er nicht und wachelt it dem Handtuch. Treibt die Luft zusammen und verteilt sie mit gezielten Schlägen: hawuschhhhhh, hawuschhhhhh, hawuschhhhhh. Es gleicht einem heißen Wüstensturm. Ich bin ganz weit weg …‘Heißer Sand und ein verlorenes Herz …‘ Dieses Lied tönt in mir.

Ich halte es aus. Ich halte auch die drei Durchgänge des Aufgusses durch – auf der untersten Bank. Aushalten, ja – das kann ich. Ich kann auch ins kalte Wasser gleiten – diesen Schreck der Haut.

Hat mich das auf diese Zeit jetzt vorbereitet?

Hab ich schon so viel Schönes in mein Schatzkisterl gelegt, dass ich darin all das finde, was ich jetzt brauche?

Ich liebe das Leben.

DU Corona, DU betriffst mich.