Lola, 50 Jahre, verheiratet, 2 erwachsene Kinder, selbständig als Coach und Tanztherapeutin, lebt im Allgäu

Liebes Corona Virus…

…oder müsste es heißen lieber Corona Virus? Wie auch immer. Ich wende mich heute an dich, weil du dich ungefragt und ehrlich gesagt auch uneingeladen in mein Leben geschlichen hast, und dabei bist, es Stück für Stück zu zerpflücken. Sag. Muss das sein?

Verschafft es dir irgendeine Art von Befriedigung, auf diese Weise in die Welt einzudringen und dich dermaßen in den Vordergrund zu spielen? Für mein Empfinden hast du auf sehr subtilem Weg das erreicht, was sich so manches Staatsoberhaupt seit Jahrzehnten erhofft, nämlich die Weltherrschaft an sich zu reißen. Neulich habe ich gehört oder gelesen, dass nun sogar erste Fälle irgendwo in einem abgelegenen Atoll in der Südsee registriert wurden. Du gibst also offensichtlich keine Ruhe, bis du nicht den letzten Zipfel dieser Erde infiziert hast mit deiner stacheligen Fratze.

Ja, wo man geht und steht, und zugegeben, der Radius ist sehr begrenzt Dank dir, hört und liest man von deinen Geschichten, davon was Du in unserer Welt anrichtest und aufbrichst. Ich persönlich glaube ja, dass du ein gewaltiges Aufmerksamkeitsdefizit Syndrom hast. Vermutlich war deine Mutter mehr deinem älteren Bruder, dem SARS 1 Virus zugetan und nun musst du dich beweisen. Verdammt, merkst du nicht, dass es Zeit für eine Therapie wäre?

Nein, stattdessen schmückt du dich mit dem herrschaftlichen Namen Corona was ja bekanntermaßen „die Krone“ bedeutet. Und soll ich dir was sagen? Bei all der Wut, die ich auf dich habe und bei all dem Frust, den du in mir hinterlässt, muss ich dir hier und jetzt eingestehen Du bist die Krönung. Denn was auch immer deine Motivation sein mag, du liebes Virus, hast wundersame Dinge vollbracht. Dabei bist du weder sichtbar noch greifbar, ja, man kann dir nicht mal vors Schienbein treten, damit auch du mal spürst, was schmerzhaft bedeutet. In all deiner Herrlichkeit und in all deiner Grausamkeit hast du die Menschen zum absoluten Rückzug bewegt. Das, was viele Menschen und Gruppen vor dir vergebens versucht haben anzuregen, ist dir in wenigen Wochen deiner Existenz gelungen.

Du hast Ruhe und vielversprechende CO2-Werte in unsere Welt gebracht, und damit hast du unserer Natur eine wertvolle Verschnaufpause verschafft. Du hast uns binnen kürzester Zeit auf unser Innerstes zurückgeworfen, indem du alle, wirklich alle Ablenkungen und Freizeitaktivitäten eingestellt hast. Du hast unsere Beziehungen auf den absoluten Krisen Prüfstand gestellt und nicht alle haben hier den Partner TÜV erhalten. Über das hinaus zwingst du uns uns zu maskieren und lachst dir über diesen ganzjährigen Faschingsumzug wahrscheinlich täglich ins Fäustchen. Du lehrst unsere Kinder auf eindrückliche Art und Weise die Bedeutung von Social distanced und unsere Pflegekräfte lehrst du das Fürchten.

Du bringst die Menschen trotz der räumlichen Distanz, die du geschaffen hast, wieder einander so viel näher und gleichzeitig gelingt dir eine nie dagewesene Spaltung. Vielleicht kommt zum Aufmerksamkeitsdefizit Syndrom noch eine gespaltene Persönlichkeit hinzu!? Bitte überlege dir das mit der Therapie noch einmal gründlich! Last but not least führst du uns unsere Endlichkeit vor Augen, die wir doch bis hierhin so schön verdrängt haben und versteckt hinter all der Aktivität, die du ja mit einem Haps verschluckt zu haben scheinst. Ich möchte ja nicht siebenschlau wirken, aber auch eine ausgeprägte Essstörung halte ich in deinem komplexen Fall nicht für ausgeschlossen. Hat dir niemand vermittelt, dass man seine Defizite nicht an anderen auslässt?

Mich persönlich bringst du an die absoluten Grenzen meiner Geduld und du gibst mir keine Perspektive über die nächsten Wochen hinaus. Seit fast einem Jahr gehe nun auch ich in deine Schule und ich habe dort im täglichen Unterricht viel gelernt. Nicht zuletzt immer mehr, das zu beherzigen und wahrhaft zu verinnerlichen, was ich den anderen so gerne und oft mit auf den Weg gebe, nämlich im Hier und Jetzt zu leben, nicht in der Vergangenheit zu hängen oder in die Zukunft zu spekulieren. Corona Du konfrontiert mich mit all meinen Gemütslagen, mit all meinen Schätzen und mit all meinen Lastern. Man könnte sagen, du hast mich an meine Ganzheit erinnert und mich in ihr gestärkt.

Ich gestehe dir heute, auch für mich völlig überraschend: Ich hassliebe dich. Und wenn du mal reden möchtest, liebes Virus, lass es mich gerne jederzeit wissen.