MarieRose, fast 70-jährige Rentnerin mit kleiner Naturheilpraxis in der Mitte Deutschlands, lebt als Single in einem Wohnprojekt

Heute ist Corona

Jede Krise hat ihre Zeit, jede Pandemie auch. Jede „Seuche“ kommt, wenn die Menschheit sie braucht. Und sie geht, wenn sie gehen kann, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat. So habe ich es gelernt, vor Jahrzehnten schon, und dies hilft mir heute. Ich bin dankbar, dass ich es so empfinden kann.

Heute ist Corona, sprich: Heute ist ein Tag, der geprägt ist von dieser Erkrankung, die unseren Alltag gerade so sehr bestimmt. Die Pandemie dominiert die Nachrichten, unser Zusammenleben oder, oft genug, unser Nicht-Zusammen-Sein-Können. Heute ist Corona. Ich gehe durch diese Zeit, Tag für Tag.

Dankbar bin ich z.B. Eckhart Tolle für sein beharrliches Erinnern an die Kraft der Gegenwart, an das Jetzt. Oder auch denen, die mich inspiriert und gelehrt haben, dass Zeit eine Illusion ist, dass es nur um den Moment geht. Ich übe mich immer wieder darin, seit vielen Jahren schon. Erinnere mich selbst daran, den Blick auf den Moment zu richten, dies gibt mir Kraft schützt mich vor einem Drauf-hin-leben auf ein fernes Ziel in der Zukunft à la: ‚Wenn ich nur erst in Rente bin…wenn ich wieder eine Partnerschaft habe…Wenn diese Pandemie endlich vorbei ist…dann kann ich glücklich sein, dann wird alles möglich sein, was jetzt gerade nicht geht oder gerade nicht erlebbar ist‘.

Wann ist dieser Lockdown, diese Krise, vorbei? Wann können / dürfen wir wieder…Hier könnte jetzt eine lange Aufzählung all dessen folgen, was gerade nicht geht, und dies alles mit Sehnsucht aufgeladen. Der sehn-süchtige Blick dorthin macht den Mangel so deutlich, den vermeintlichen Mangel, unter dem wir gerade leiden. Leiden wir, leide ich? Na klar vermisse auch ich Dinge, die mein Leben sonst bereichern und auch ausgefüllt haben: Mal wieder in die Sauna gehen, in ein Café, Shoppen-Gehen, Reisen. Na klar! Aber ich muss mich nicht dabei aufhalten.

Heute ist Corona. Das ist eine Feststellung, ein Lebensgefühl, das nun schon erprobt ist. Genauer: Heute ist Dienstag, der 16. Februar 2021, und wir befinden uns im immer weiter verlängerten Lockdown. Die Lockerungen des Lockdown werden uns zwar in Aussicht gestellt: In ein paar Wochen könnte vielleicht, wenn…

Ich schaue mir nun schon fast ein Jahr zu und bin ein klein bisschen stolz auf mich.
Ich, die ich oft soo ungeduldig bin, kann gelassen durch diese Zeit gehen.

Halte mich nicht auf bei der Frage: Wie lange noch? Wann wird es endlich wieder normal wie früher? Normal wie früher? Eins ist klar: Es wird nicht mehr wie früher. Und schon gar nicht mehr normal. Und das ist gut so. Wir sind mitten in einem tiefen Wandel, den die Welt, die Menschheit, die Erde so dringend braucht.

Ein paar Jahre lang fühle ich mich nun schon der Transition-Town-Bewegung zugehörig, weiß um die Notwendigkeit von Wandel in der Welt, im Großen wie im Kleinen. Habe den Rumms, der durch Corona ausgelöst wurde, diese bislang unvorstellbaren Veränderungen, mit Staunen zur Kenntnis genommen, ja teils willkommen geheißen. Werde getragen durch das tiefe Empfinden: Das ist nötig! Das Virus ist der Katalysator für die Veränderungen, für das Erwachen, für den Wandel. War auch nicht wirklich überrascht vom Verlauf im Spätherbst.

Hilfreich ist für mich die Astrologie. Ich fühle mich inspiriert von seriös arbeitenden Astrolog*innen. So wusste ich um die ganz besondere und herausfordernde Konstellation in 2020, war vorbereitet durch die Prognosen: ‚Es kommen nochmal spannungsvolle Monate zum Ende des Jahres‘. Dieser größere Blick hilft mir. So gehe ich, getragen von der universellen Weisheit, durch diese Zeit.

Wie heißt es so schön? Für die Zubereitung ihres Lebensmahles schaut die weise Zen-Köchin nicht auf das, was ihr fehlt, sondern auf das, was sie hat. Diese überlieferten Worte (ich war so frei, die weibliche Sprache zu wählen) drücken so treffend aus, wie ich durch diese Tage gehe. Ich schaue was geht, was möglich ist, was die „Speisekammern des Lebens“ so vorrätig haben.

Ich profitiere sehr von den Möglichkeiten, die uns das Internet bietet. Habe mir schnell Zoom angeeignet, kann mich gut auf diese Art der Verbindung und Verbundenheit einlassen.

Und was alles geht! Es wird immer mehr: Inzwischen nehme ich an einem wöchentlichen Singtreff teil, singe ich mit einem bayrischen Mann, der in Sibirien lebt und von dort aus Sing-Kreise leitet, unterstützt von Frauen seiner dortigen Gemeinschaft. Wunderbar und seelenberührend.

Ich tanze regelmäßig mit circa 20 bis 30 Frauen Kreistanz, über Zoom. Ungewohnt, dieses Alleine-in-meiner-Stube-Tanzen, aber viel viel besser als nix. Bin meiner Tanzlehrerin so dankbar, dass sie sich auf dieses ungewohnte Medium eingelassen hat.

Fühle mich sehr bereichert und inspiriert durch unzählige Fortbildungsangebote. Gerade läuft läuft der siebte Online Kongress von ‚United to Heal‘ – Verbunden um zu heilen – welch zukunftsweisendes Motto! Bekomme darüber wichtige Informationen und Anregungen, die mir helfen, in mir einen Standpunkt zu entwickeln und so meine Patienten und Patientinnen gut durch diese Zeit begleiten zu können.

Heute ist Corona. Ein bereichernder Tag inmitten dieser Ausnahmezeit. Ich habe den Tag begonnen mit einem spannenden medizinischen Vortrag aus obigem Kongress. Jetzt am Vormittag ist Schreibzeit mit über 100 Menschen, welch tolles Feld!

Nachher gehe ich einkaufen, setze meine Maske auf. ‚Ach ja, stimmt, es ist Corona‘ – ich vergesse es immer mal für Stunden.

Werde auf unserem Gelände Menschen aus meinem Wohnprojekt begegnen. Ein kleiner Schwatz ist immer drin. Wir sind über Zoom gut verbunden, für unsere Gruppenveranstaltungen, Mitgliederversammlungen, Arbeitsgruppen. Und wir treffen uns zu zweit, zu dritt, gehen eine Runde spazieren, unterstützen uns im Alltag, kaufen füreinander ein, wenn jemand erkrankt ist. Am Nachmittag habe ich Telefon-Sprechstunde. Mal sehen, was der Abend bringt. Wenn ich zu Bett gehe, wird auch dies ein voller, ein wertvoller, ein lebendiger Tag gewesen sein, da bin ich jetzt schon sicher.

Ungewiss, was morgen, übermorgen, sein wird. Der Schnee wird tauen, es wird Frühling werden, der Sommer wird kommen, ich werde ans Meer fahren. Das Jahr nimmt seinen Lauf. Wie immer und doch so anders.

Und heute ist Corona.