Corona zeigt mir, wie mit einer Lupe, was eh schon da ist. Mir scheint, viele Menschen, denen ich begegne, sind nur auf ihren Vorteil bzw. ihre Sicherheit bedacht. Das fing beim Klopapier an. Was hat das bei mir angesteckt? Erst fand ich die Klopapier Nummer nur witzig und ich sagte entspannt, dass es ja auch Waschlappen gibt. Als ich dann aber beim Einkaufen die leeren Regale sah, wurde mir schon komisch und die Angst vor Mangel ploppte hoch.
Wo kommt das her? Welche Existenzangst macht sich da breit und am Klopapier fest? Was habe ich da mit den Panikeinkäufern gemeinsam? Welche Angst war da schon immer und bricht sich jetzt Bahn?
Als nächstes zeigt sich mein Ärger über rücksichtslose Menschen. In meinem Vorgarten steht der Foodsharingtisch. Die ersten AbholerInnen stehen keine Minute nach dem Startschuss per WhatsApp da und grapschen das liebevoll arrangierte Obst und Gemüse an, werfen Sachen runter und heben sie nicht wieder auf. Abstände werden des Öfteren nur nach Erinnern eingehalten.
Und der Hinweis, dass ich keine Lust auf Ärger mit dem Ordnungsamt habe, weil ich das hier ehrenamtlich mache und der Nachbar es filmt, verhallt oft schnell. Bin ich auch so, wenn ich etwas umsonst bekomme? Bin ich rücksichtslos, wenn jemand um Achtsamkeit bittet? Wieso ärgert mich das Verhalten Weniger, wo doch neunundneunzig Prozent umsichtig und dankbar sind? Vielleicht ist es dieses Evolutionäre, das uns 97 Prozent Negatives und nur 3 Prozent Positives sehen lässt. Das Lob der Menschen tut gut, ihr unachtsames Verhalten kann mir schaden und ungeahnte Konsequenzen haben. Jetzt in der hypersensiblen Coronazeit wird dieses Verhalten, welches es immer gibt, besonders sichtbar.
Sehr sensibel reagiere ich auf Bemerkungen von Freunden und Bekannten, wenn ich von meiner Einsamkeit spreche. „Sei froh, dass du keinen schlagenden Mann zu Hause hast. Das wäre schlimmer.“ Ja, das weiß ich. Und es war damals auch ohne Corona schlimm genug, als ich mich in der Situation befand. Und zusätzlich meine Kinder beschützen musste. Aber es geht gerade nicht um „schlimm“ oder „schlimmer“. Ich kann mich damit trösten, dass ich keine schlimmere Lebenssituation habe. Und doch ist diese Einsamkeit für mich an vielen Tagen unerträglich.
Dann ist sie das Schlimmste für mich und das will ich nicht groß erklären oder Punkte auf der Skala eintragen. Wenn ich das erzähle, möchte ich es nur wahrgenommen wissen. Nicht mehr, nicht weniger. Der Spruch „Schlimmer geht immer!“ kommt dann oft von mir. Aber vielleicht zeigt das Verhalten meines Gegenübers auch nur, was weit verbreitet ist, nämlich, dass die wenigsten wirklich wissen wollen, wie es anderen geht.
Und ich? Ich will es wissen! Wirklich? Immer? Von jeder und jedem? Dieser Frage gehe ich nach…. Ja, wirklich will ich es wissen. Aber auch nicht immer und von jeder und jedem. Aber ich will versuchen, Ihre Probleme nicht kleinzureden. Will hinhören und vielleicht, wenn ich es grad nicht tragen kann oder will, das ehrlich sagen. Aber auf keinen Fall kleinreden. Das übe ich.