Katharina, 54, alleine wohnend in Düsseldorf und nah verbunden mit ihren Menschen, Managerin im internationalen Konzern. Schreiben, Menschen begleiten, Blumen und Draußen sein liebend

Ich hab´ Feuer gemacht

Ich mag sehr die Aufforderung, die Essays für „2021 Zeit Zeugen“ mit der Hand zu schreiben. Dabei bin ich mir selbst nahe, näher als beim Schreiben am Laptop. 45 Minuten. Auch das hilft mir, in die Tiefe zu gehen. Es entstehen Texte, an die ich vorher nicht gedacht hätte. Worum geht es für mich grad wirklich? Schreiben aus Tinte und Hand und Papier.

„Ich hab´ Feuer gemacht“ geht mir durch den Sinn. Dieses Lied von Purple Schulz (Ich hab´ Feuer gemacht, Purple Schulz 2012 auf dem Album „So und nicht anders“) klingt bereits seit dem letzten Wochenende wieder vermehrt in mir, nachdem es über ein Jahr lang verschüttet war. Dabei war es doch lange Zeit „mein Lied“. In einem Online-Personality-Training hörte ich: „Lasst uns zusammen Feuerholz sammeln und ein Feuer entzünden.“ Ich möchte, nein: ich WILL, dass wir dieses Feuer brennen lassen für die Liebe und den Neuanfang, genährt von Kreativität und Achtsamkeit, von Zartheit und wild sein, aus Wut und aus Träumen, von Humor und von lautem Lachen, aus Musik und Tanzen und getragen von der Energie aller, die dazu beitragen möchten und werden, dass aus der gegenwärtigen Situation Gutes erwächst. Trotz so vieler Fragen, auf die wir keine Antwort haben.

„Spinnen ist richtig, verrückt sein braucht Mut. Kann sein, dass jeder über dich lacht, doch am Ende stehst du auf deiner Insel und rufst: Ich hab‘ Feuer gemacht!“ (Purple Schulz aaO). Ich kann so sehr oft gegen diese unfassbare Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit von Corona nicht mehr an. Ja, ich weiß, es ist schwierig. Ich würde auch nicht die Entscheidungen treffen wollen. Ich könnte es nicht und habe großen Respekt vor den Entscheidungsträgern. Ich weiß, dass Menschen sterben. Dass Menschen leiden, dass viele Intensivstationen überfüllt sind, dass Menschen einsam sind, dass Ängste lähmen, dass wirtschaftliche Sorgen, Existenzängste gar zum Erstarren führen. Nichts von dem will ich leugnen. Ich weiß, dass es da ist. Und doch vermisse ich es manchmal so sehr, mit einem Freund, mit einer Freundin, mit meiner Schwester, mit meiner Nichte, meinem Neffen zusammen zu sitzen – und einfach nur zu lachen über die bescheuerte Situation, über irgendwas, das grad nix mit Corona zu tun hat.

Ich vermisse unsere Unbeschwertheit. Ich vermisse dieses leichte Gefühl, aus dem Lustiges, Ernsthaftes, Neues, Kreatives – Feuer eben – entsteht, dass auf einmal eine Lösung bringt. Aus dem vermeintlichen Nichts. Tatsächlich aber entsteht die Idee aus dem Raum von Lust und Spaß und Kreativität und Angstlosigkeit und Mut und Intuition. Ich vermisse Köpfe zusammenstecken, quasi im Wortsinne. Den Austauschen von Gedanken, Ideen, Nähe – ohne Zaudern. „Visionen sind wichtig, Träume sind gut.“ (Purple Schulz aao). Ich will, dass Visionen wieder zählen. Dass Mut wieder Relevanz hat. Ich mag nicht mehr hören von verzögerten Genehmigungsverfahren. Oder über risikobehaftete zu schnelle Freigaben. Ich will nichts mehr hören von schwerfälligen Impfstarts und dass es in Israel oder irgendwo anders alles besser ist. Ich will nicht ständig Zahlen lesen und Begriffe, die ich mir nicht merken will, in meinen Wortschatz aufnehmen. Ich will singen, tanzen, lachen, küssen, umarmen, weinen, einander halten, nah in die Augen schauen und das ganze Gesicht sehen, Nähe spüren. Ich will das alles ohne Sorge, dass meine Nähe den anderen unwissentlich und unwillentlich krank macht. Schwer krank wohlmöglich.

„Sie werden dir sagen, dass es nicht funktioniert. Sie werden dir sagen, dass du dich ruinierst. Solange du klein bleibst, sind die groß. Glaub ihnen kein Wort, reiß´ dich einfach los und steig auf den Thron deiner Intuition.“ (von Purple Schulz aaO).

Ich bin sicher, dass wir das wieder hinkriegen. Nein, anders: Ich bin sicher, dass wir aus der Corona-Zeit lernen und das, von dem wir sehen, dass es nicht gut war, umwandeln in Besseres. Stück für Stück. Langsam vielleicht. Stetig. Und immer wieder mal mit einem dieser großen, überraschenden Siebenmeilenstiefelschritte, die von jemandem mit besonders großem Mut oder besonders großem Spaß initiiert werden. Ich will und werde nicht aufgeben zu glauben, dass wir das hinkriegen. Und ich werde all´ meinen Spaß und meine Liebe und Energie mit reingeben. Die folgenden Zeilen von Purple Schulz passen wohl gerade jetzt ganz besonders. Lasst uns einfach das so machen. Zusammen und miteinander verbunden, einander respektierend und immer in der Liebe kriegen wir das hin:

Mit Würde und Stolz – Ich hab‘ Feuer gemacht!
Mit Eisen und Holz – Ich hab‘ Feuer gemacht.
Mit Lust und Zeit – Ich hab‘ Feuer gemacht!
Mit Achtsamkeit – Ich hab‘ Feuer gemacht!
Mit Erde und Steinen – Ich hab‘ Feuer gemach!
Mit Lachen und Weinen – Ich hab‘ Feuer gemacht!
Mit Stift und Papier
und mit meinem Klavier.