Will eine ganze Woche alleine sein. Irgendwo hin, am besten abgeschieden und in Waldnähe. 7 Tage nur für mich, für mich und die Stille. Weg vom Sumpf des Alltags. Weg von dem Gewusel der Kinder, vom Partner, vom Küche-Zusammenräumen und gefühlt 20mal am Tag den Geschirrspüler ein- und wieder ausräumen. Ein Sumpf – ein Sumpf an immer gleichen Tätigkeiten. Ein Sumpf an gleichen Tagen: Die Kinder streiten, der Mann grantelt. Wir gehen uns auf die Nerven. Ich will hier raus. Aufatmen. Einatmen. Neues. Frisches. Inspiration und Frischluft. Mein Hirn durchlüften und meine Seele erfrischen.
Komisch. Der erste Lockdown hat Spaß gemacht. Ich habe ihn genossen. Die gemeinsame Zeit. Die Picknicks im Freien, die gemeinsamen Mittagessen. Wir alle zusammen – das war selten. Das war etwas Kostbares für mich. Ich war den Kindern so nah. Ich war mir selbst so nah. Hatte Zeit. Die Langsamkeit zog ein bei mir. Ich beobachtete die Kinder stundenlang beim Spielen im Garten, genoss dabei Sonnenstrahlen, Vogelgesang und Wind. Ich war bei mir und gleichzeitig überall. War verbunden mit der Stille, mit der Natur.
Und jetzt? Die Eintönigkeit nervt. Die Enge der Familie nervt. Was ist passiert? Kann ich das Einfache nur genießen, wenn es selten ist? Was ist passiert mit diesem Glück vom ersten Lockdown? Wo ist es? Hat es der Winter weggehaucht? Das Haus in seinen Wänden verschluckt? Wo ist mein Corona-Glück? Bin ich träge geworden in meiner Wahrnehmung? In meiner Fähigkeit, Glück zu sehen? Bin ich abgestumpft und wenn ja, wer ist schuld? Die lange, lange Pandemie? Die nicht enden wollenden Lockdowns? Die Regierung, die es mir verbietet, meinen Herzensberuf auszuüben?
Hin und wieder tropfen ein paar dicke, nasse Sorgen in meinen Kopf, aber die trockenen gleich wieder. Nein, Sorgen habe ich eigentlich keine. Ich habe ein riesiges, unerschütterliches Vertrauen, das bleibt mir auch während Corona treu. Vertrauen, das kann ich. Aber ich hab da dieses eine bestimmte Gefühl, das mich belastet. Das meine Beziehung zu den Kindern gefährdet weil es mich manchmal launisch, laut und ungerecht werden lässt: Das Gefühl der Enge und des Eingesperrt-Seins im zähen Sumpf des Alltags.
Wo sind meine kostbaren Glücksperlen vom ersten Lockdown? Das Glück eines gemeinsamen Essens. Das stille Glück, des viel gewaltiger ist als das laute. Das stille Glück darüber, hier zu sein. Kinder und Partner zu haben. Ich stecke im Sumpf fest. Wird mich der Frühling rausziehen oder die Schulöffnung? Fünf Tage lang habe ich jetzt jeden Vormittag für mich. Welch ein Schatz! Stille und ich. Nur das Surren des Kühlschranks. Die Stille hat sich immer schon gut um mich gekümmert. Sie ist eine gute Freundin. Und das Schreiben. Das regelmäßige, morgendliche Schreiben beruhigt mich, erdet mich, gibt Kraft. Ich bin dankbar für die Stille und für das Schreiben.
Wie kann ich wieder gern Zeit mit meinen Kindern verbringen? Wie kann ich mein Bedürfnis nach ausgedehntem Alleinsein nachgehen und gleichzeitig dabei nicht die Beziehung zu meinen Kindern schädigen? Ich weiß es nicht. Ich werde mich schon wieder fangen. Ganz bestimmt. Der Frühling wird viel dazu beitragen.
Ist das eigentlich legal? Dass die Regierung Mütter mit ihren Kindern daheim einsperrt? Über Monate. Jede Beziehung wird bei zuviel Nähe und zu wenig Luft irgendwann einmal auf die Probe gestellt. Ist das erlaubt, dass sich die Regierung so zerstörerisch in so intime Beziehungen einmischt? In Mutter-Kind Beziehungen.
Ich stecke momentan im Sumpf fest. Mir ist es zu eng. Ich mag keinen mehr in meine Nähe lassen. Eine ganze Woche in einer Hütte im Wald. Das wäre meine Medizin. Das würde helfen. Und noch viel mehr. Es würde so gut tun. Stattdessen nehme ich halt mit Spaziergängen vorlieb. Jeder Aufenthalt in der Natur schenkt Kraft und ein kurzes Gefühl der Freiheit. Die kalte Luft. Der knirschende Schnee. Ich nehme auch die Kinder mit. Dort draußen treffen wir uns wieder, können uns wieder begegnen und uns nahe kommen. Da gibt’s genug Weite und frische Luft zum Atmen für jeden. Die Natur hat mir schon oft geholfen, mich wieder ganz gemacht. Ich bin unendlich dankbar, dass wir hier am Land wohnen.
Oh schau her, da ist es ja! Soeben ein Stück vom Glück wiedergefunden! Das Glück in der Natur zu sein. Gemeinsam mit den Kindern. Der Wind, der so schön den Kopf durchlüftet und meine Seele erfrischt. Ich will hier raus. Jetzt. Mit den Kindern.