Liebe Critha,
auch wenn es mir schwerfällt und ich viele Widerstände spüre und ich dir diese Zeilen sowieso nicht zeigen werde, schreibe ich dir jetzt einen Brief.
Es fällt mir schwer, weil ich weiß, dass wir beim Thema Corona so unterschiedlicher Meinung sind. Wir haben so gegensätzliche Anschauungen und Zugangsweisen und ich fühle mich dabei so schwach neben dir.
Wenn wir auf Corona mit den ganzen Rundherumthemen wie Erkrankungsbeispiele, Maßnahmen der Politik und Verhalten von uns Bürgern, Testen, Impfungen, Schutzmaßnahmen, Schulsituation… zu sprechen kommen, dann spür ich gleich wie unsere Meinungen auseinanderdriften. Dabei möchte ich mich auf keinen Streit einlassen, weil es uns überhaupt nichts Gutes bringen würde. Im Gegenteil: die Fronten würden sich noch mehr verhärten.
Und genau das will ich nicht. Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob meine Einschätzung zu diesem Virus und den damit verbundenen Maßnahmen richtig ist. Also halte ich mich zurück, so gut es eben geht.
Dabei habe ich das Gefühl, dass du mir dann oft sehr nahe kommst. Zu nahe. Nicht physisch, das ganz und gar nicht. Aber du würdest mich so gern davon überzeugen und mir beweisen, dass du Recht hast mit deiner Angst und Sorge vor einer Ansteckung. Mehr noch, du hättest gerne, dass ich auch Angst vor einer Ansteckung kriege. Aber das hab und will ich nicht. Doch ich schaffe es nicht, dagegen zu argumentieren, weil es ja tatsächlich ausreichend Gründe und Beweise fürs Angsthaben gibt.
Ich frage mich gerade, worum es mir eigentlich geht, was mir dabei so ein ungutes Gefühl macht…
Zum einen fühle ich mich nicht gut, weil ich dir gegenüber meine wirkliche Meinung verleugne. Ich steh nicht zu mir, ich verteidige meine Position nicht. Was ist denn überhaupt meine Meinung, was ist meine Anschauung? Hm, ich glaube, dass unser Fokus zu sehr in der Angst vor dem Virus liegt. Wir blicken auf die Angst und das böse Virus. Ich verleugne, dass ich lieber auf das Vertrauen, das Gute, das Gesunde, das Stärkende, das Was-uns-gut-tut… schauen möchte. Ich verleugne es, weil mich deine wuchtigen, knallharten Gegenargumente schmerzen. Das tut weh. Und das Verleugnen tut auch weh.
Zum anderen fühle ich mich nicht gut, weil ich keine starken Argumente, Beweise, Zahlen und Fakten habe. Ich hab ja auch kein Vertrauen in Zahlen und Fakten. Weil sich die so unterschiedlich interpretieren und vergleichen lassen. In Experten habe ich auch kein Vertrauen. Weil die so widersprüchlich und gegensätzlich sind. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll. Wer hat Recht? Vielleicht jeder auf seine Art, aus seiner Sicht? Ich weiß es nicht. Deshalb habe ich anstatt starker Argumente nur ein ungutes Gefühl gegenüber Zahlen, Fakten, Experten und zahlreichen Coronamaßnahmen.
Da fällt mir jetzt grad etwas Interessantes auf:
Du hast Angst vor der Viruserkrankung, mir machen die Virusmaßnahmen Angst.
Du hast Vertrauen in die Virusmaßnahmen, ich habe Vertrauen in meine Gesundheit.
Ja, ich glaube, so kann ich das gut stehen lassen. Es gibt Coronathemen, die uns ängstigen und Coronathemen, wo wir vertrauen. Wenn auch gegensätzlich, so können wir uns vielleicht bei den Kreuzungspunkten treffen. Vielleicht sogar auf Augenhöhe? Vielleicht können wir uns mit Abstand auf Augenhöhe annähern? Das wünsche ich mir. Das wünsche ich uns.
Deine Matha