Susan, 55 Jahre, kreative Gestalterin des Lebens, Künstlerin und Schriftstellerin

Manchmal…

… gibt es Tage, da wünschte ich, ich würde Corona bekommen.

Der Gedanke: könnte ich es nicht gleich bekommen – ohne schwere Symptome natürlich – dann wäre das Leben wieder einfacher! Dann wäre ich immun und die Angst vor einer Erkrankung wäre gebannt.

Wäre die Erkrankung mit schweren Symptomen verbunden – eventuell sogar mit  einem Intensivstation-Aufenthalt (wobei: spricht man hier von „Aufenthalt“? – ich assoziiere mit dem Wort ja mehr „Urlaub“. Im Hotel wird man oft mit „und einen schönen Aufenthalt noch“ begrüßt. Allerdings wäre die Intensivstation definitiv kein Urlaub!) – dann hoffe ich, oder würde hoffen – seelisch so stabil zu sein, um daran nicht zu verzweifeln. Wenn es jedoch so sein sollte, müsste ich es auch akzeptieren. Ich glaube ja, dass wir hier auf der Welt in einer „Durchgangs-Station“ sind und am Ende zurückkehren ins Universum – oder zu Gott. Wie auch immer man das bezeichnen mag.

Ich weiß natürlich nicht, ob das für mich dann wirklich so wäre, das mit dem Akzeptieren! Oft ist ja die Vorstellung von etwas noch nicht Eingetretenem ganz anders als es dann im Erleben ist. Mehr beschäftigt mich die Frage: was, wenn meine Eltern, die ja etwas betagter sind, oder mein Mann daran (schwer) erkranken oder daran sterben?

Klar. Meine Eltern werden sterben. Ebenso mein Mann und ich selbst auch. Wir schieben das Thema gerne weit weg. Es ist uns unangenehm. Beängstigend. Ein Weg ins Unbekannte. Wir kennen nur Sicht als Hinterbliebene. Die betreffende Person ist nicht mehr da. Alle sind traurig und trauern. Wir haben keine Kenntnis, was danach – nach dem Leben – kommt. Verliert der Tod seinen Schrecken, wenn ich ihn akzeptiere und annehme? Er trifft uns auf jeden Fall irgendwann. Das ist tod-sicher!

Leben wir in unserer Welt, in unserer Gesellschaft, nicht im Vermeiden, oder gar „Bekämpfen“ des Todes? Es darf unter gar keinen Umständen gestorben werden! – So scheint es! Die Medizin, die Gesellschaft tut alles, um den Tod zu vermeiden. Auch wenn er schlussendlich „unvermeidlich“ ist!

Müssen wir wirklich so vehement dagegen kämpfen?

Zeigt uns dieser Virus nicht vielmehr auf, was alles falsch läuft in unserer Welt? Was wir falsch machen? – Die Ausbeutung der Natur, der Umgang der Menschen miteinander. Egoismus. Destruktion. Werte der Demokratie werden – überall auf der Welt – untergraben und abgeschafft. Das, wofür wir Menschen uns seit der Antike eingesetzt haben, wird mit einem Schlag zunichte gemacht. Radikale Positionen verstärken sich. Und wir wollen mit Gewalt die Natur beherrschen und ausnützen zum eigenen Vorteil. Egoistisch und egozentrisch.

Natürlich will ich meine Liebsten nicht verlieren. Aus Egoismus? Weil ich sie gerne länger bei mir haben möchte? – Irgendwann muss ich mich auf jeden Fall von ihnen lösen. Ich muss sie loslassen. Genauso wie auch ich mich von mir lösen muss. Mich loslassen werde. Am Ende meines Lebens.

Wir sind nun mal nicht unsterblich und unverwundbar. So wie die Superhelden in Science-Fiction-Filmen. Das würden wir allerdings gerne glauben und wollen es so gerne glauben.

Ich bin froh und dankbar, in dieser Welt mit all den medizinischen Möglichkeiten leben zu können und zu dürfen. Dass Krankheiten geheilt werden können, dass Lebensqualität verbessert, erhalten und zurückgewonnen werden kann. Dennoch endet jedes – wirklich jedes – Leben. Früher oder später.

Gilt es nicht vielmehr das Leben heute zu leben? Das zu leben, was uns selbst und die Gemeinschaft weiterbringt? Hin zu einem Miteinander statt Gegeneinander?

Geht es nicht darum, die Zeit zu nützen, zu wachsen – persönlich und spirituell? Uns auf das Schöne zu konzentrieren, das Gute zu sehen und die Liebe zu leben. Die Liebe zum Leben. Die Liebe zur Natur. Die Liebe zum Menschen.

Vielleicht müssten wir dann nicht gar so vehement und gewaltsam gegen das Sterben, gegen die Krankheit, gegen Corona kämpfen?

Vielleicht könnten wir uns besinnen, was wirklich wichtig ist und nicht nur die Eigeninteressen mit Gewalt und Macht durchsetzen?

Was, wenn es eine neue Welt gäbe, in der das alles möglich würde?

Wer weiß, welche Lösungen und Wege sich auftun könnten, von denen wir bisher noch nicht einmal gedacht haben, dass sie eine neue Zukunft erschaffen! Die (noch) außerhalb unserer heutigen Wirklichkeit liegen?

Keiner weiß, was die Zukunft bringt. Ich weiß ja nicht einmal, was in der nächsten Minute passieren wird. Alles, was bleibt, ist das Jetzt. Und diesen Moment kann ich gestalten. Können wir gestalten.

Ja. Ich könnte an Corona erkranken.
Ja. Ich könnte daran sterben.
Ja. Ich werde sterben. In naher oder ferner Zukunft.

Und. Ich lebe HEUTE.