Magdalen, 43 Jahre, in schöner Partnerschaft lebend im Oberallgäu, Kreativtherapeutin, Schreibfrau

Mein Herz ist eng.

Oder ist es gar der ganze Brustkorb, der sich fest um mein bebendes Herz schließt und es immer enger zusammen drückt? Der Atem kämpft sich seinen Weg durch die Enge der Brust bis in den Bauch hinab. Dorthin gelangt er nur, weil ich ihn förmlich dazu zwinge. Ich höre mein Ausatmen laut und schwer. All dies, wenn ich einfach bummeln gehe. Nein, dann, wenn ich durch unsere Fußgängerzonen gehe und bemerke, dass Bummeln nicht möglich ist.

Mal hier beim Tchibo vom Schaufenster anlocken lassen, im Grunde einfach nur schauen, hineinziehen lassen, umschmeichelt vom Kaffeeduft, das ein oder andere Teil berühren, um festzustellen, wie angenehm es sich anfühlt, wie hübsch es aus der Nähe ausschaut. Es geht mir nicht ums Kaufen, ich will nicht shoppen gehen. Ich will schauen, staunen, entdecken. Und beim Tchibo, klar, da will ich einatmen, mich von den verschiedenen Kaffeearomen beglücken lassen. Manchmal entdecke ich dann doch die witzig geringelte Kinderstrumpfhose, aus Bio-Baumwolle sogar, mit der ich meiner kleinen Nichte im Osterkörbchen eine Freude machen könnte.
Ach, Ostern. Ostern! Draußen im Garten selbst bemalte Eier verstecken und für jeden dazu etwas Kleines, Liebes. Lachend jeden Einzelnen beim Suchen und Finden anfeuern und danach beim fluffigen Osterzopf und Tee und Kaffee gemütlich beieinander sitzen und plaudern, sich hin und wieder mal drücken, einfach so.

Ich gehe die Einkaufsstraße weiter – Osiander – Mal schauen, welche Bücher  heute in den Auslagen vor der Tür schon mein Interesse wecken. Hier ein bisschen blättern, mich da für eine ganz private, kleine Weile in den Zeilen verlieren. Dann fällt mein Blick auf die Glückwunschkarten, 6, 7 Ständer vor den Türen und Fenstern. “Wie schön, dass wir beisammen sind…”, summt mir die Melodie durch den Kopf beim Anblick der fröhlichen Geburtstagskarten. Bunte Vögelchen mit Glitzerflügeln oder Fotos von Luftballons, die sich in allen Regenbogenfarben vor dem tiefblauen Himmel abheben. Fröhlichkeit, Weite, Tanz, ach, ach.

Mein nächster Stopp der Laden “Einfach schön”. Da gibt es sinnlos schöne Dinge, wie ich so gern sage. Beim Betreten erklingt Vogelgezwitscher statt einem Glöckchen. Wenn ich ganz witzig drauf bin, gehe ich zweimal extra wieder raus und dann wieder rein. Schwelge in Kristallen, Fenstergehängen, Kerzen und Duftölen, Schnickschnack und Krimskrams, taste hier, schnuppere da – und ja, dieser Anhänger aus Rosenquarz würde meiner Freundin gefallen. Ach, meine Freundin, 900 Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf, in das ich nur mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln gelangen kann. Zwei Bundesländer müsste ich fast vollständig durchqueren, streckenweise dicht an der tschechischen Grenze entlang.

Mein Herz ist eng, die Brust drückt sich zusammen. Ich bin mittlerweile froh, nicht zu oft durch die Fußgängerzonen gehen zu müssen, habe in den letzten Wochen sogar bemerkt, dass ich bewusst neue, Schleichwege suche, die mich allerdings mehr Zeit kosten. Normalerweise ist der Weg durch die Einkaufsstraßen der kürzeste für mich, um zum Bahnhof zu gelangen oder zu dem Ort, an dem ich arbeite. Es bedrückt mich, dass alles verschlossen ist, dunkel und zum Teil die Deko vom Advent noch hängt.

Es geht mir nicht ums Shoppen. Einkaufen kann ich, falls ich etwas benötige, auch im Internet. Es ist das Leben, das mir fehlt: Düfte und Klänge, Stimmen, Menschen, die lächeln oder die mir zerstreut ausweichen, weil wir beide gerade ein bisschen am Träumen waren, Bummeln, Eis kaufen oder einen Kaffee, sitzen und schauen und lauschen und atmen.

Die Brust ist mir schwer, mein Herz ist eng.