Regina, 63 Jahre,mit einem erwachsenen Sohn und eine erwachsene Tochter mit Handicap

Trotz Corona geht es mir in meinem Körper rundum gut…

Die erste Stelle in meinem Körper die sich meldet wenn ich diesen Satz vor mich hin spreche, ist eine Wellenbewegung zwischen dem
Sonnengeflecht und meinem Bauchnabel. . .  deutlich spürbarer Widerstand, ausgelöst durch diese schlichte Behauptung mich rundherum
gut zu fühlen.

Ich bemerke dort, wenn ich genau hinspüre, Bewegungen einer zur Zeit ständig präsenten, unterschwelligen Form der Angst.
Sie  gibt sich manchmal, wie Meereswellen, nur leise zu erkennen und zieht sich dezent zurück um einige Minuten später mit Macht zurück zu kommen.
Ein Zustand wie Ebbe und Flut und genau wie das Meer selbst, nur schwer zu kontrollieren.
Im Jetzt geht es mir gut. Ich bin bei mir, höre auf meine Intuition und bin sogar dankbar, nach Jahren der ständigen Beschleunigung nun Zeit zur
Entschleunigung bekommen zu haben.

Doch diese vermeintliche Zeit bringt auch, durch Ausgangssperren und Lockdown, sehr viel Stille mit sich. Ich bemerke zunehmend, wie laut Stille sein kann.
Nur wenige, spielende Kinder vor dem Haus, kein hörbarer Verkehr nach 20 Uhr, keine Flugzeuge am Himmel.
Stille in der sonst so lebendigen und belebten Fußgängerzone unserer Kleinstadt.

Manchmal werden die körperlich spürbaren Wellenbewegungen stärker, brechen sich tosend Bahn und spülen alle Sorgen an den Strand.
Da liegen sie, ausgebreitet und sichtbar auf einem Teppich aus Sand.
Dieses starke Gefühl der eigenen Ohnmacht, weil ich die Dinge nicht unter Kontrolle habe.
Für meine Kinder, meine Freunde, meine Familie diesem Virus durch eigenes Handeln nichts entgegen setzen zu können, macht mich hin und wieder stumm.
Das Gefühl den äußeren Umständen ausgeliefert zu sein nimmt immer wieder Raum ein, lässt sich nicht einfach im Sand vergraben.
Auf der anderen Seite bieten diese Maßnahmen auch in gewisser Weise einen schützenden Rahmen in dieser für uns alle unbekannten, weil nie vorher so da gewesenen
Pandemie Situation.
Eines wird mir sehr klar:
Das neue „Danach“ wird nicht mehr das alte „Vorher“ sein.

Wieder spüre ich eine überdimensionierte Welle durch meinen Körper tosen bei dem Gedanken, wie sich diese Pandemie auf das weitere Leben meiner Kinder und deren
Generation auswirken wird.
Ich bemerke, dass meinem stets dem Leben zugewandten und durchweg optimistischem Gemüt während der langen Dauer des Lockdowns mit seinen täglichen Herausforderungen,
die Puste ausgeht und es dringend eine frische Meeresbrise bräuchte.

Immer wenn ich mit meiner Familie zusammen am Tisch sitze, dann, ja dann spüre ich nur noch glucksende, kleine Wellenbewegungen die ein
„Danke, dass wir bisher alle gesund geblieben sind“, in den Sand schreiben.