Warten heißt es gerade, nichts als warten. Ich fühle mich, als säße ich in einem großen Wartesaal mit unzähligen Stühlen. Hinter den beschlagenen Fensterscheiben strauchelt die Welt. Die Stimmung ist gedämpft. Es wird geflüstert. Nur ab und zu verliert jemand die Geduld und beginnt laut zu schimpfen. Warten, immer nur warten darauf, dass sich die Zeit wieder umkehrt und wir im Januar 2020 landen. In einer Zeit, in der wir noch unbeschwert leben, lachen und planen konnten.
Seither ist so viel geschehen und so viel auch wieder nicht geschehen. Die Zeit steht still und doch höre ich die Zeiger ticken.
Sie mahnen mich an, das bewusste Atmen nicht zu vergessen,
und einen Fuß vor den anderen zu setzen – auch ohne aufregendes Ziel;
Wort an Wort zu lehnen, im Vertrauen darauf, dass sie mich stützen;
der Hoffnung den Boden zu bereiten;
den Rhythmus der Natur wahrzunehmen;
die Sekunden zu zählen, in denen ich Liebe schenken darf und Liebe erhalte.
Warten, heißt es seit Monaten. Und gerade fühle ich, dass es mich müde macht.
Die Zuversicht, die am Beginn der Corona Zeit noch so präsent war, schwindet, und es kostet mehr und mehr Kraft, sie zum Bleiben zu bewegen.
Ich warte. Du wartest. Wir. Sie. Es .
Alle warten, wollen irgendwie zurück und gleichzeitig auch weiterkommen. Zwischen diesen Punkten spannt sich eine Schnur, auf der die Wünsche balancieren.
Ich wünsche mir so sehr, dass unser Sohn die geplante Hochzeit feiern darf. Dass der Beginn dieses Lebensabschnitts unbeschwert erlebt wird und wir alle von Herzen eine Umarmung schenken dürfen.
Ich wünsche mir, dass meine Enkelkinder wieder Maskenfrei lachen dürfen , wünsche mir, die Welt in den Arm nehmen zu dürfen. Große Wünsche, die sich in der Geborgenheit meiner kleinen Welt formen.
Ich werde warten müssen, wie wir alle! Warten und hoffen und Worte in den Himmel schreiben wie ein Gebet.
Weit öffne ich das Fenster und halte meinen Stift den Wolken entgegen.