Elin, 43 Jahre, Barfußtänzerin und -wanderin im Oberallgäu, glücklichst verheiratet und voller Zuversicht

Jippie – ich bin so aufgeregt!

Oh mein Gott – heute ist Corona-frei! Das fühlt sich gleich besser an, als jedes jemals gehabte Hitzefrei in der Schule oder jedes andere sonst wie Frei von sonst noch was.
Heute endlich kommt meine Oma zu Besuch, und damit ihre Anreise nicht zu lang dauert, kommt sie mit dem Hubschrauber – genau wie meine Papa und meine Schwester mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann. Ich bin schon so aufgeregt, ich dreh fast durch.

Für den Mittag hab ich uns einen Tisch auf der Terrasse vom Alpenblick reserviert. Diesen Anblick wollte ich Oma schon so lange zeigen. Vorher mache ich allerdings noch eine ausführliche Führung durch unsere Wohnung für alle. Da hat sich nämlich viel verändert. Oma wird sich wohl besonders für die Balkonbepflanzung interessieren. Deshalb flitze ich schnell noch mal in den Obi und hole diese tollen Blumen mit den rot-lila Blüten. Einen Topf für den Tischschmuck, denn zum Empfang, wenn sie alle hier ankommen, will ich draußen decken. Und dann noch ein paar Blumen für die Lücken in den Kästen. Hui bin ich aufgeregt! Sie kommen – alle! In weniger als zwei Stunden sind wir alle beisammen!

Gestern Abend stand ich fast bis Mitternacht in der Küche. Ich will doch meine fantastischen veganen Kuchen servieren und weil ich mich nicht entscheiden konnte, hab ich gleich vier verschiedene gebacken. Ich hab das gar nicht mehr im Griff, wie viel Kuchen man für so viele Leute braucht. Die Schwiegereltern kommen natürlich auch mit dazu und am Abend zum Grillen auch noch der Bruder meines Mannes mit seiner Frau und den beiden Jungs. Da haben die Kinder meiner Schwester jemanden zum Spielen, obwohl da bestimmt auch die Nachbarjungs nicht abgeneigt wären, besonders, wenn es Kuchen gibt. Die will ich aber heute nicht einladen. Dieser Tag gehört der Familie.

Mein Schatz hat extra viel Kaffee geröstet. Wir wollen allen ein kleines Päckchen mit nachhause geben. Und ich kann Oma die Gardinen zeigen, die ich für das Dachbodenfenster gehäkelt habe. Mein Liebster hängt sie soeben auf. Oma wird vermutlich die einzige sein, die wirklich ein Auge dafür haben wird.

Bevor wir zum Mittagessen aufbrechen, will ich auf jeden Fall noch ein halbes Stündchen ganz allein nur mit meiner Schwester haben – in meinem Zimmer. Das hat sie noch nie live gesehen, immer nur die rudimentären Ausschnitte auf Zoom. Falls wir das vormittags nicht mehr schaffen, dann bestimmt am Nachmittag, wenn alle im Garten sitzen und Papa den Grill betreut. Natürlich bringt er echte Thüringer Bratwürste mit – wie immer – und Oma macht dazu ihren legendären Kartoffelsalat.

Direkt bei der Hütte, wo wir Mittagessen werden, ist so ein Erzbergwerk extra für Kinder ausgebaut. Da würde ich gerne mit den beiden Kids hin. Mal sehen, was die anderen dazu meinen. Nachmittags im Garten dann also Grillen. Ich bin so gespannt, wie Papa damit zufrieden sein wird, wie wir den Apfelbaum und die Rosen beschnitten haben und was alle zu unserer Narzissenspirale sagen werden. Den besten Blick darauf hat man von unserem Westbalkon. Apropos Balkon – ich muss los, die Blumen holen.

Am Abend, wenn meine Schwester mit den Kindern und Oma sich so langsam zurück ziehen, wollen mein Schatz, Papa und ich noch für drei, vier Stündchen in die Sauna, mal wieder so richtig ausgiebig schwitzen. Mmmh! Ich werde schon mal die Tasche vorbereiten, damit unser schöner Corona-freier Tag nicht in Stress ausartet.

Papa, Oma, Schwiegies und meine Schwester mit den Kindern und ihrem Schatz – in dieser Konstellation waren wir noch nie zusammen in unserem Garten und in unserer Wohnung sowieso nicht. Das wird gigantisch, herrlich, einfach traumhaft! Ich leg noch das Wikinger Schach raus. Das haben wir zu zweit noch nie gespielt, aber mit mehr Leuten, das wird ein mega Spaß. Obwohl ich jetzt schon weiß, dass wir keine Chance gegen Papa haben werden. Außer, wenn meine Schwester und ihr Mann sich nicht ganz ungeschickt anstellen, dann lässt sich vielleicht mit strategischer Teambildung was machen.

Oma wird sich freuen, dass genau wenn sie uns alle besuchen kommen, die Blaskapelle unten auf dem Markt spielt. Sie liebt ja diese Musik. Wir können sie bis zu uns herauf hören. Vielleicht machen wir aber auch zwischen dem ganzen Essen einen Verdauungsspaziergang hinunter in die Stadt. Dann könnten wir auch die Kaffeerösterei ausprobieren, die vor ziemlich genau einem Jahr aufgemacht hat.

Ich freu mich, ich freu mich, ich freu mich! Alle umarmen, ganz lang, mal wieder tief einatmen, wie jeder so duftet. Ob ich mich daran überhaupt noch erinnern kann? Papas verschmitztes Grinsen live sehen, dem das meines Neffen immer ähnlicher wird. Und wer weiß, vielleicht kann ich Oma sogar dazu motivieren, noch ein paar Geschichten von früher zu erzählen. Immer wieder kommen neue Details hinzu, die ich noch nicht kannte und jedes Mal wieder bin ich so beeindruckt davon, wie sie ihr Leben gemeistert hat.

Für meine Nichte hätte ich auch noch die ein oder andere Überraschung. Wenn sie ihre Babypuppe mitbringt, kriegt sie alle Klamotten auf einmal, die in den letzten Monaten fertig geworden sind. Die kann sie ihrer Puppe dann gleich anprobieren. Und vielleicht ist der Mann meines Schwester ja mittlerweile offener für das Thema Barbie. Da wartet noch ein ganzer Karton auf sie mit mehreren Puppen und natürlich sensationellen Kleidern dazu. Da ist sie wahrscheinlich den ganzen Nachmittag beschäftigt.

Mein Schatz wird stolz die Fortschritte in seinem Arbeitszimmer präsentieren und die selbst entwickelte LED-Campinglampe dazu. Und wir können allen am großen Bildschirm das Boot zeigen, das unser aktueller Favorit ist. Am Ende könnten wir auch einfach alle gemeinsam mit den Hubschraubern nach Frankreich fliegen und es live besichtigen…
Jetzt will ich aber wirklich los. Hallo du wunderbarer Corona-freier Tag. Ich komme! Ich bin bereit!