Als Frau der Tat bin ich im Tun wohl schon sehr gut unterwegs. Lassen und abwarten fallen mir dagegen schwer. In mir ist eine große Sehnsucht, eine gute Balance zwischen Tun und Lassen für mich zu finden. Ich will beides genießen können. Will mir Pausen gönnen und nicht zornig auf mich sein, an Tagen, wo die Uhr eher auf Lassen als auf Tun steht. Die vielen Ansprüche an mich will ich loslassen, mich sein lassen und trotzdem zufrieden sein.
Tatsache ist, dass wir von Außen an unseren Taten gemessen werden und das stille Lassen nicht im Rampenlicht steht – oft sogar als Faulheit bezeichnet wird. Das Älterwerden stellt an mich da noch mal ganz neue Anforderungen. Ich brauche meine Ruhe – brauche die Stille – das Ganz bei mir Sein – um wieder Kraft für das Außen zu tanken. Ich will mir diese Pausen zugestehen und auch mal nein sagen können, wenn mir eine Freundin vorschlägt, “gehen wir doch vormittags in die Ausstellung und nachmittags dann wandern“. Abgesehen davon, dass mich das kräftemäßig überfordert, bedeutet es auch ein Zuviel an Eindrücken, die ja auch verarbeitet – besonnen – werden wollen. Warum habe ich dann manchmal das Gefühl, durch dieses mein Nein-Sagen etwas versäumt zu haben? Wie kann ich für mich lernen, mich in diesem Lassen wohl zu fühlen – ohne schlechtes Gewissen und ohne Angst, aus einem Gruppengefüge zu fallen, weil ich nicht mitmache.
Es ist dieses am Tun gemessen zu werden und zugleich diese Flut an Bildern und Erfolgsgeschichten in den sozialen Medien: „Ach, die hat schon wieder, die war schon wieder dort und da, die hat ein Buch geschrieben, die hat so viel Erfolg, weil sie so tatkräftig ist, …“ Und schon bin ich im Vergleichen, Bewerten. Das passiert mir leider immer wieder einmal. Besonders an Tagen, wo mein Körper und Geist signalisieren, heute kannst Du nicht so voll und ganz mit uns rechnen. Wir sind heute einfach mal langsam und wenn Du uns bedrängst, dann fühlen wir uns überfordert und machen Fehler.
Ja, im Tun bin ich wohl ganz gut, aber mit dem Lassen da „tue“ ich mich manchmal noch schwer. Wem will ich also etwas beweisen – mir – der Welt? Tun heißt etwas in Gang bringen, etwas bewegen, Neues erschaffen, Veränderung bewirken. Lassen klingt nach Passivität, Erdulden, sich treiben lassen, kein Ziel haben.
Zuviel Tun macht müde und erschöpft und trotzdem lasse ich mich manchmal darauf ein – renne durch den Tag, hake Listen ab und bin dann am Abend trotzdem unzufrieden; denn es hätte ja mehr sein können und auf der Liste steht immer noch genug. Muss ich das Seinlassen – Loslassen – immer wieder neu üben?
Bei älteren Menschen klingt oft Wehmut in ihrer Stimme und der Gedanke taucht auf, „wozu bin ich noch da, wenn ich nichts mehr tun kann“?. Ich höre das auch oft von den arbeitssuchenden Frauen, mit denen ich arbeite. Wie gut wäre es, auch das Lassen zu segnen und daraus Kraft zu schöpfen. Was ist das für eine Welt, die nur das Tun vergöttert und auf den Podest stellt?
Etwas lassen können.
Etwas gut sein lassen können.
Etwas loslassen können.
Es auch mal anderen überlassen.
Zu akzeptieren, nicht über alles die Kontrolle zu haben und zu erkennen, dass ich diese auch mit übertriebenem Tun nicht haben werde.
Wer rastet, der rostet, sagt ein Sprichwort. Das scheint tief in uns zu stecken. Und wenn ich mal nicht erreichbar bin und auch mal nein sage, dann begegnet mir Unverständnis. Puh, erst mal durchatmen. Mich besinnen – Einkehr halten – mit der Erkenntnis – ja, ich segne auch das, was ich nicht mehr tue oder von vornherein nicht tue. Ich sehe die Kraft der Kreativität und der Verwandlung, die im Seinlassen liegt.
Ich segne mein Tun und mein Lassen.
Alles ist ein Geschenk.
Tun und lassen können.
Tun und Lassen dürfen.
Und erkennen, was gerade dran ist.
Ich erwarte Gutes und erweitere jeden Tag meinen Blickwinkel.